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"Bei Abschiebung ist Vater meiner Kinder tot"

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Österreicherin zittert um Vater ihrer Kinder: Abschiebung eines 35-jährigen Serben sorgt für Aufregung - Asylverfahren des Mann ist nicht abgeschlossen - brisantes Wissen über Milosevic-Regime könnte sein Tod sein.

Seit 1995 befindet sich Radisa B. (35) auf der Flucht. Er handelte in seiner Heimat in Serbien nicht nur mit gestohlenen Autos, er dürfte auch gute Beziehungen zum Milosevic-Regime unterhalten haben. In Wien, wo er zuletzt jahrelang als U-Boot lebte, lernte er Sladana R. kennen und gründete mit ihr eine Familie. Und er beschloss, „reinen Tisch“ zu machen: Er stellte sich den Behörden und beantragte politisches Asyl.

Obwohl darüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist, soll Radisa B. am Donnerstag nach Serbien abgeschoben werden. Seine Lebensgefährtin glaubt zu wissen, was das bedeutet. „Dann ist er tot“, meinte sie in der Nacht zum Donnerstag.


Tödliches Wissen über Kriegsverbrechen

Ihr Freund, mit dem sie zwei Töchter im Alter von zwei Jahren und sieben Monaten hat, verfüge nämlich über brisantes Wissen. Er kenne Details über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, wisse über die Ermordung des früheren serbischen Präsidenten Ivan Stambolic Bescheid. Das mache ihn für gewisse Leute gefährlich, weswegen Sladana R., die seit über 20 Jahren in Wien lebt und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, befürchtet, „dass man ihn liquidiert. Sein Leben ist da unten nichts mehr Wert.“


Serbischer Haftbefehl liegt vor

Nicht zuletzt auf ihr Betreiben hatte der Mann den Entschluss gefasst, ein Asylverfahren in die Wege zu leiten, um in Wien endlich ein so genanntes normales Leben führen zu können. Am 5. September 2003 wurde der Asylantrag jedoch in erster Instanz abgelehnt und er in Auslieferungshaft genommen: Die Republik Serbien-Montenegro hatte einen internationalen Haftbefehl vorgelegt, demzufolge Radisa B. noch eine mehrjährige Haftstrafe wegen schweren Diebstahls zu verbüßen hat. Darüber hinaus wird ihm in dem Papier vorgeworfen, im Jahr 1992 aus einem Haus einen Videorekorder, Bargeld und Schmuck gestohlen zu haben – eine Behauptung, die seine Freundin als „fingiert“ bezeichnet.

Sowohl das Wiener Oberlandesgericht als auch der Oberste Gerichtshof hielten jedoch die Auslieferung für rechtens. Seine Anwältin Ingrid Weber legte darauf Beweismittel vor, die nach ihrem Dafürhalten „erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieses Beschlusses hervorrufen“, wie es in ihrer Eingabe vom 3. März heißt.


Abschiebung werden des Asylverfahrens nicht erlaubt

Die Vollstreckung der seinerzeit verhängten Freiheitsstrafe sei demnach großteils absolut verjährt. Vor allem aber gebe es noch immer keine Entscheidung über ihre gegen den Bescheid des Bundesasylamts eingebrachte Berufung. Einer solchen komme jedoch aufschiebende Wirkung zu. „Der juristische Kern dieser Sache ist, dass man während eines offenen Asylverfahrens einfach nicht abgeschoben werden darf“, meinte der ebenfalls mit diesem Fall betraute Rechtsanwalt Lennart Binder dazu.


Kinder werden Vater nicht lebend wieder sehen

Weder die Lebensgefährtin noch die Rechtsvertreter des 35-jährigen Mannes hatten ihrer Darstellung zufolge von offizieller Stelle von der mit 13.30 Uhr terminisierten Auslieferung erfahren. „Es war eher Zufall“, so Binder. Noch hegen sie die Hoffnung, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens bzw. Aufschiebung der Übergabe in letzter Minute stattgegeben wird. Sollte das nicht geschehen, ist Sladana R. überzeugt, dass ihre Kinder den Vater nicht lebend wieder sehen.

Redaktion: Birgit Stadtthaler

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