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Behinderter in Schubhaft: Prozess gegen Polizisten

Im Bezirksgericht Wien-Josefstadt ist am Donnerstag ein Prozess gegen drei Polizisten eröffnet worden, die Schuld daran tragen sollen, dass im Vorjahr ein geistig behinderter Mann acht Tage lang zu Unrecht in Schubhaft genommen wurde.

Den Angeklagten wird das mit bis zu drei Monaten Haft bedrohte Vergehen “Fahrlässige Verletzung der Freiheit” (§ 303 StGB) vorgeworfen. Sie bekannten sich “nicht schuldig”. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Der gebürtige Sudanese wurde am 25. März 2009 im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am Urban-Loritz-Platz in Wien-Neubau aufgegriffen. Er konnte sich nicht ausweisen, wirkte verwirrt, machte in gebrochenem Deutsch keine konkreten Angaben zu seiner Identität.

Die Beamten kamen – wohl nicht zuletzt aufgrund der Hautfarbe des jungen Mannes – zum Schluss, es mit einem “Illegalen” zu tun zu haben. Er wurde ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel überstellt, wo man über ihn die Schubhaft verhängte, während seine verzweifelten Eltern nach ihm suchten und ihn als vermisst meldeten.

Erst am 1. April 2009 stellte sich heraus, dass der 22-Jährige seit 2005 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Sein Vater war bis 2007 bei der sudanesischen Botschaft in Wien beschäftigt.

Vor Bezirksrichterin Eva Schubert hatten sich nun jene beiden Polizisten zu verantworten, die den 22-Jährigen festgenommen bzw. ins PAZ überstellt hatten, sowie die zuständige Referentin bei der Fremdenpolizei, der nicht aufgefallen war, dass der Mann Österreicher ist. Wie die Verhandlung deutlich zutage förderte, dürften unklare Zuständigkeiten innerhalb des Polizeiapparats wesentlich dazu beigetragen haben, dass erst über Einschaltung einer der mit den Eltern bekannten Magistratsbeamtin der abgängige Sohn aufgespürt wurde.

“Ich hab’ den Häftling abgeliefert. Was dann weiter im Anhaltezentrum passiert, hab’ ich nicht gefragt”, sagte der erstbeschuldigte Beamte. Sein Dienstvorgesetzter, der den 22-Jährigen festgenommen hatte, erklärte: “Ich habe alles versucht, um seine Identität zu klären. Er hat gesagt, er kommt aus dem Sudan. Mit der Abgabe im PAZ war die Sache für mich erledigt.”

Der Erstbeschuldigte hatte allerdings im PAZ seine dienstliche Email-Adresse hinterlassen, und an diese wurde das Ergebnis der sogenannten AFIS-Abfrage geschickt, der ein Abgleich der Fingerabdrücke des 22-Jährigen mit Eintragungen im EKIS bzw. Zentralen Melderegister zugrunde lag. Daraus ging eindeutig hervor, dass sich der Mann rechtmäßig in Österreich aufhielt.

Der Polizist löschte dieses Mail jedoch, ohne es gelesen zu haben. “Ich hab’ nicht gewusst, weshalb die meine Email-Adresse brauchen. Ich hab’ sie halt hergegeben, weil das Kollegen sind. Ich hab die Mail nicht mehr mit der Amtshandlung in Verbindung gebracht, weil mein vorgesetzter Kollege gesagt hat, wir haben damit nix mehr zu tun”, lautete seine verblüffende Begründung.

Im PAZ selbst fühlte man sich nicht zuständig, die Identität des unbekannten Mannes zu klären. Man sei nur “Servicestelle für einschreitende Beamte”. Es sei deren Aufgabe, das Ergebnis einer personenbezogenen Abfrage entgegenzunehmen, beschieden mehrere Zeugen der Richterin.

Nachdem ein Polizeijurist die Schubhaft verhängt hatte, wanderte der Akt auf den Schreibtisch einer Referentin bei der Fremdenpolizei. Obwohl der 22-Jährige einer Psychologin am 27. März erzählte, dass er Eltern in Österreich habe, verblieb er in Haft. Die Begründung der zuständigen Beamtin: “Ich habe das nie bekommen. Ich bekomme nur den Bericht, ob er haftfähig ist. Ich habe mich darauf verlassen, dass der, der die Schubhaft verhängt, weiß, was er tut.” Und nach einer kurzen Pause fügte die Polizistin hinzu: “Ich bin einfach nicht auf die Idee gekommen, wie das ein Österreicher sein soll.”

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