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Behinderte Kinder als "Schaden": Bioethikkommission lehnt Novelle ab

Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt lehnt die Novelle für eine Abschaffung der Ärzte-Haftpflicht im Fall einer nicht diagnostizierten Behinderung von Babys in der Schwangerschaft aus "verfassungsrechtlichen, ethischen und rechtspolitischen Gründen ab".
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Der Entwurf von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) sei am Montag in der Sitzung diskutiert worden, hieß es in einer Aussendung der Kommission.

Die Ethiker kamen dabei zu dem Schluss, dass die Verantwortung der Ärzte durch solch ein Gesetze nachteilig beeinflusst würde: “Die vorgeschlagene Änderung des Schadenersatzrechts entlässt eine Gruppe von Fachärzten punktuell aus der Arzthaftung. Das wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher gleichheitswidrig”, hieß es in der Aussendung. “Überdies würde diese Haftungsfreistellung die ärztlichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten im Bereich der Pränataldiagnostik zu ‘Pflichten zweiter Klasse’ degradieren. Das ließe einen grundlegenden Vertrauensverlust in der Arzt-Patienten-Beziehung befürchten.”

Bezüglich des Arguments, die jetzige Regelung würde Behinderte diskriminieren, meinte die Kommission: “Die der Debatte zugrundeliegenden divergierenden Urteile des OGH (Oberster Gerichtshof Anm.) machen unmissverständlich klar, dass die Existenz eines Kindes nicht als Schaden zu qualifizieren ist. Allerdings kann der aus der Unterhaltspflicht der Eltern erwachsende Vermögensnachteil als Schaden einzustufen sein.” Fazit der Ethiker: Ein Kind ist kein Schadensfall und die Aufweichung der Arzthaftung wird abgelehnt.

Bereits 2007 gab es nach divergierenden OGH-Urteilen Diskussionen zu denen die Kommission Stellung nahm. Damals hieß es unter anderem: Es gehe nicht um eine “Differenzierung nach Behinderung oder Nichtbehinderung im Sinn einer ‘Bewertung'” sondern, dass die Unterscheidung “ausschließlich Ausdruck der besonderen finanziellen Belastungssituation der Eltern” sei. Es sei “nicht Aufgabe der Rechtsprechung, allgemeine ‘Werturteile’ zu formulieren, sondern auf Grundlage der geltenden Rechtsordnung angemessene Lösungen für konkrete Streitfälle zu erzielen”.

Als “kein Meilenstein, sondern ein unethischer Hüftschuss” kritisierte VP-Mandatar Franz-Joseph Huainigg die Entscheidung der Bioethikkommission. “Es wurden weder behinderte Menschen noch Eltern behinderter Kinder von der Ethikkommission angehört”, beanstandete der Politiker in einer Aussendung. “Bei der Entscheidung ausgeblendet wurde die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, welche die derzeitige Rechtslage und Praxis darstellt.” Huainigg forderte die Kommission auf, im Rahmen der Gesetzesbegutachtung Verbesserungsvorschläge einzubringen.

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