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Bedenken zu Sobotka-Vorsitz nach Aussage im Ibiza-U-Ausschuss

Der Verfahrensrichters äußerte Bedenken zu Sobotkas Vorsitz im Ibiza-U-Ausschuss.
Der Verfahrensrichters äußerte Bedenken zu Sobotkas Vorsitz im Ibiza-U-Ausschuss. ©APA
Der Verfahrensrichter im Ibiza-U-Ausschuss, Wolfgang Pöschl, hat Zweifel, dass Wolfgang Sobotka nach seiner Zeugenaussage auch weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann.

Im Ö1-"Journal zu Gast" äußerte Pöschl am Samstag "juristische Bedenken", vor allem weil Sobotka im Bericht dann seine eigene Aussage bewerten müsste.

Selbstbeschreibung wäre gegen Grundsatz der Rechtsordnung

In der Verfahrensordnung sei das nicht genau geregelt, er habe aber "juristische Bedenken", dass Sobotka nach seiner Aussage als Auskunftsperson noch Vorsitzender sein könne, sagte Pöschl. Er begründete dies damit, dass der Abschlussbericht des Ausschusses, den der Vorsitzende erstellt, möglicherweise auch eine Beurteilung enthalten werde, ob die Aussage Sobotkas glaubwürdig gewesen sei. Es werde ihm schwer fallen, das über sich selbst zu sagen, meinte der Verfahrensrichter: "Es wäre gegen einen fundamentalen Grundsatz der Rechtsordnung, sich selbst zu beschreiben."

Einen Rückzug vom Vorsitz wollte Pöschl Sobotka aber nicht explizit empfehlen. Er würde dem Nationalratspräsidenten nur raten, nach der Verfahrensordnung vorzugehen, sagte der Verfahrensrichter.

FPÖ wirft Sobotka Treffen mit Marsalek vor

Die Opposition verlangt hingegen schon seit einiger Zeit den Rückzug Sobotkas. Der FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Christian Hafenecker, meinte am Samstag, das Maß der Befangenheit Soboktas sei bereits "übervoll". In einer Aussendung bezog sich Hafenecker auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach Sobotka als damaliger Innenminister bei einer Moskau-Reise im Jahr 2017 mit dem derzeit flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek zusammengetroffen sei. Tatsächlich schreibt die "SZ" allerdings nur, dass Marsalek auf der Gästeliste eines Folklore-Abends stand, den die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft anlässlich eines Moskau-Besuchs Sobotkas organisierte. Das Büro Sobotkas bestätigte, dass Marsalek einer von etwa zwei Dutzend erwarteten Gästen gewesen sei.

Der U-Ausschuss hat nach Ansicht Pöschls inhaltlich durchaus schon einiges zu Tage gefördert. Für eine Beurteilung, ob es wirklich eine Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung gegeben habe, sei es zwar noch zu früh, sagte der Verfahrensanwalt im Ö1-Interview. Es gebe aber bereits Indizien für Zahlungen an parteinahe Vereine, eine etwaige Gegenleistung sei allerdings "noch unklar". Andererseits sei aber ein Gesetz für den Privatkrankenanstaltenfonds (Prikraf) beschlossen worden, wo FPÖ- und ÖVP-nahe Vereine profitiert hätten.

Pöschl glaubt nicht an Erhalt des gesamten Ibiza-Videos

Zuversichtlich zeigte sich Pöschl, dass das Ibiza-Video schon in den nächsten Tagen, jedenfalls aber vor der Fortsetzung des Ausschusses am 9. September dem Ausschuss zur Verfügung stehen wird. Er glaubt allerdings nicht, dass der Ausschuss das gesamte Video bekommt, sondern nur jene Teile, die von der Justiz in den Strafakt aufgenommen werden. Hier würden Persönlichkeitsrechte bereits wahrgenommen.

Den Umgangston in diesem Ibiza-Ausschuss empfindet der Verfahrensrichter "lauter, deftiger und kontroversieller" als in früheren U-Ausschüssen sowie manchmal auch aggressiv. Das liege vor allem an den Entschlagungen von Auskunftspersonen, gegen die auch rechtliche Verfahren laufen. Dass sich Gernot Blümel (ÖVP) mehr als 80 Mal nicht erinnern konnte, hält Pöschl für "keine Werbung für den Finanzminister".

Gegen eine Live-Übertragung des Ausschusses hätte Pöschl nichts einzuwenden. Allerdings müssten Vorkehrungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen getroffen werden. Der Verfahrensrichter kann sich vorstellen, dass eine "Live-Zusammenfassung" bei den Zuschauern gut ankommen würde.

Verfahrensrichter relativierte Zweifel gegenüber Sobotka

Pöschl hat seine Zweifel, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nach seiner Zeugenaussage weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann, am Montag relativiert. Es habe sich um eine "offene Frage" gehandelt, sagte er in einer Erklärung. Pöschl begründete seine Ansicht mit seiner Erfahrung aus der Gerichtsbarkeit.

Es habe noch einer "Vertiefung hinsichtlich der im Ausschuss geltenden Verfahrensregeln" bedurft, so Pöschl. Diese ergebe nun, "dass die Befangenheit in der Verfahrensordnung nicht geregelt ist". Befangenheitsbestimmungen könnten auch nicht analog zum Gerichtsverfahren zur Anwendung kommen. "Folgt man meiner, für das Gerichtsverfahren vertretenen Ansicht, würde die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses auch letztlich durch die gezielte Ladung des jeweiligen Vorsitzenden zum Erliegen kommen."

Für Pöschl zeigt nun die gelebte Praxis, dass der vom Verfahrensrichter zur erstellende Entwurf vom Vorsitzenden als Bericht ohne Änderungen den Fraktionen zur Beschlussausfertigung vorgelegt wird. Die Fraktionen hätten dazu die Möglichkeit einer Stellungnahme in ihren Berichten. Pöschl: "Ich möchte nochmals betonen, dass ich meine Aufgabe objektiv und überparteilich wahrnehme und allen Fraktionen in Äquidistanz gegenüberstehe. Gegenüber dem Vorsitzenden Sobotka steht mir keinerlei Bewertung zu. Ich habe eine solche auch nie abgegeben."

(APA/Red)

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