Wie fühlt sich das an, im Edlach? Im Gang baumelt der Bücherfresser. Der ist eben gelandet. Zugegeben, Direktorin Sabine und ihre Mutter haben etwas nachgeholfen. Als wir die Puppe heute Morgen zu zweit ins Auto hoben, ist eine Passantin zu Tode erschrocken. Nein, nein, haben wir ihr zugerufen. Das ist keine Leiche. Der Bücherfresser ist höchst lebendig. Jedenfalls in den Köpfen der Kinder.
Hunger nach Erlesenem
Wie eine Heuschrecke zieht er übers Land. Frau Direktorin hat den Kindern von ihm erzählt. Der Bücherfresser hat unbändigen Hunger, warnte sie. Allerdings verträgt er nur ungelesene Bücher. Von gelesenen Büchern wird ihm schlecht. Also blieb nur ein Weg, um die kleinen Klassenbibliotheken vor dem Verzehr zu retten. Seit einem Monat lesen die Edlacher Kinder wie die Weltmeister. Lehrerin Brigitte Albrich trägt schon wieder neue Zettel in die Direktion. Sauber haben die Kinder aufnotiert, welche Bücher sie zuletzt verschlungen haben und die Lesenachweise mit bunten Zeichnungen garniert:. 23 Schüler und 86 Bücher sind für eine erste Klasse Volksschule beileibe nicht schlecht. In 75 Schulen und Klassen finden heute, Freitag, Lesefeste statt. In Edlach wird der Bücherfresser unverrichteter Dinge und mit knurrendem Magen wieder abziehen. Den Kindern sei Dank.
Auf Umwegen zur Direktorin
Sabine Bader hat der Leselust der Schüler mit viel Phantasie auf die Sprünge geholfen. Sie war nicht immer Lehrerin. Zwischendurch hab ich zehn Jahre in der Privatwirtschaft gearbeitet, sprich in einer Landwirtschaft und als Köchin in einem Gasthof. Nach der Geburt von drei Kindern kehrte sie in den Lehrberuf zurück. Dass sie seit zwei Jahren die Schule leitet, liegt an ihrer regelmäßigen Lust auf Neues. Etwas studieren stand zur Auswahl oder Theater- spielen. Die Edlacher Kinder dürften ganz froh sein, dass sich Sabine Bader schließlich für die Direktion bewarb. Man kann ungeheuer viel gestalten, zieht sie nach zwei Jahren Bilanz. Etwa beim Lesen: Im Herbst werden wir als Nächstes Partnerklassen bilden. Dann werden die Kinder täglich eine Viertelstunde lang paarweise gemeinsam lesen.
Auch die erste Ganztagsklasse wird da mit eingebunden. Die ist ganz neu in Dornbirn. Die Kinder dieser speziellen Klasse werden von Montag bis Donnerstag bis 16 Uhr in der Schule sein, und am Freitag ist zu Mittag Schluss. Als verschränkten Unterricht erläutert Bader eine gediegene Mischung aus Schule und Freizeit. Auch die Hausaufgaben werden die Kinder in der Klasse erledigen. So bleibt der Schulalltag lebendig. Sabine Bader aber denkt zurück an ihr erstes eigenes Buch und muss gehörig schmunzeln. Als Kind hab ich überhaupt nicht gern gelesen. Da brachte ihr das Christkind, das mitunter ganz schön tückische Züge offenbart, ein dickes Buch. Ich hätts an die Wand pfeffern können. Tat sie aber nicht, sondern schlug es auf. Und las. Erst widerwillig. Von der Mutter sanft angetrieben. Allmählich aber ganz von allein. Und las und las . . . und heute würde der Bücherfresser mit seinem Appetit auf Ungelesenes in Sabine Baders Haushalt garantiert verhungern. Ehrenwort.
VN