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BAWAG-Prozess - Sorge um "exzessive Fragen"

Im BAWAG-Prozess stand auch am heutigen Mittwoch, dem bereits 75. Verhandlungstag, Gutachter Fritz Kleiner im Kreuzfeuer der Anwälte, und ein Ende der Befragung des Grazer Sachverständigen ist nicht abzusehen.

Am Mittwoch trug Christoph Herbst, Anwalt des angeklagten Wirtschaftsprüfers Robert Reiter, der Reihe nach über hundert seiner insgesamt etwa 300 Fragen an den Gutachter vor, die dieser erst später beantworten wird. Richterin Claudia Bandion-Ortner wunderte sich über die Ausführlichkeit, sie habe noch nie so “exzessive Fragen” an einen Sachverständigen erlebt.

“Jeder Tag mit dem Sachverständigen kostet enorm viel Geld”, mahnte die Richterin. Einige Fragen des Reiter-Rechtsvertreters wurden vom Gericht nicht zugelassen. Unerwarteten Beistand erhielt Bandion-Ortner von der Verteidigerbank, wo sich der Anwalt von Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger, Richard Soyer, meldete. Die Befragung zu Rechtsfragen sei nicht zuzulassen, protestierte Soyer und warf seinem Anwaltskollegen Herbst vor: “Ich glaube, Sie kennen die Vorschriften der Strafprozessordnung nicht.”

Der Sachverständige habe im Rahmen der Befunderhebung immer “Wertungen” eingebaut, verteidigte Anwalt Herbst seine ausführliche Befragung. Allfällige Wertungen dürfe das Gericht aber ohnehin nicht übernehmen, eine Übernahme von Wertungen könne im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden, versuchte die Richterin den umfangreichen Fragenkatalog abzukürzen – allerdings mit wenig Erfolg.

Zuvor hatte Kleiner eine frühere Frage von Wolfgang Schubert, Anwalt von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, nach einem finanztechnischen Fachbegriff beantwortet: “Range Accrual” bezeichne eine Zinsenvereinbarung innerhalb einer gewissen Bandbreite, erläuterte der Sachverständige. Auch zur Charakterisierung von Wolfgang Flöttls Tätigkeit lieferte Kleiner heute neue Angaben: Kein Makler, kein Broker, kein Investmentbanker sondern ein “Händler” sei der nunmehr Angeklagte gewesen. Zuletzt hatte Kleiner den Angeklagten Flöttl als “Geldsammelstelle” bezeichnet.

Das schlechte Geschäft für die BAWAG durch die Übernahme von Flöttls Bildern nach dem 639-Mio.-Dollar Verlust im Oktober 1998 wurde heute in Zahlen dargestellt: Um Flöttls Kunstwerke mit einem Versicherungswert von 233 Mio. Dollar (155 Mio. Euro) verwerten zu können, wurde ein Kredit Flöttls beim New Yorker Auktionshaus Sotheby’s in Höhe von 154 Mio. Dollar abgelöst. Flöttl wurde zwar seine Bilder aber auch die hohe Kreditschuld los. Der Bank-Vorstand wollte den Veräußerungserlös der Bilder und der Liegenschaften zur Abdeckung der Flöttl-Verluste verwenden.

Klagen von Elsner über “Drehschwindel” hatten am Vormittag zu einer kurzen Verhandlungsunterbrechung geführt. Der 72-jährige herzkranke U-Häftling musste trotz geäußerter Beschwerden bis zum Schluss der heutigen Verhandlung im Gerichtssaal bleiben. Der ständig anwesende Arzt Leopold Günter Steurer konnte keine auffälligen Werte bei Elsner feststellen.

Morgen, Donnerstag, steht dann der Sachverständige Thomas Keppert zur Befragung zur Verfügung. Am Freitag sollen die bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gefundenen Unterlagen thematisiert werden. Am Montag waren bei einer “freiwilligen Nachschau” auf der Suche nach Unterlagen zu den “Karibik-1”-Geschäften bei den langjährigen BAWAG-Prüfern noch Dokumente gefunden worden. Im Keller des Penthouse von Ex-BAWAG-Chef Walter Flöttl (84) wurde von der Sonderkommission BAWAG nichts gefunden.

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