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Bausektor: Illegale Entsendungen nach Österreich boomen

Illegale Entsendungen nach Österreich boomen im Bausektor.
Illegale Entsendungen nach Österreich boomen im Bausektor. ©APA/Barbara Gindl (Symbolbild)
Der überhitzte Bausektor bekommt die aktuellen Krisen wie Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation besonders zu spüren. Äußern tut sich dies in Form von Lieferengpässen, Mangel an Baumaterialien, Preiskampf und scharfem Wettbewerb um Arbeitskräfte.

Das öffnet illegalen Kanälen Tür und Tor. Die Entsendung von Scheinselbstständigen aus Osteuropa nach Österreich zieht heuer laut Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) spürbar an.

Lohn- und Sozialdumping im Bausektor

Das leiste Lohn- und Sozialdumping Vorschub. "Am Bau wird jetzt versucht, über die Lohnkosten Vorteile zu erreichen", sagte GBH-Bundesvorsitzender Josef Muchitsch am Montag in einer Pressekonferenz. Österreich sei massiv von illegalen Entsendungen betroffen. "Jede zehnte Entsendung in Europa geht nach Österreich", so der Gewerkschafter. Ein vergleichsweise hoher Anteil. Denn mit insgesamt rund 3,8 Millionen Beschäftigten stelle man nur etwa 1,5 Prozent der europäischen Arbeitskräfte.

Illegale Entsendungen nach Österreich

"Wir sind nicht gegen Entsendungen, in Österreich brauchen wir Entsendungen, wir sind gegen illegale Entsendungen", strich der GBH-Chef hervor. Es gebe verstärkt unseriöse Angebote von angeblichen "Einzelmeistern" zu Dumpingpreisen an Bauunternehmen und Private. Durch lange Wartezeiten lassen sich Bauherren den Angaben zufolge verleiten, solch unseriöse Angebote anzunehmen.

Slowenien ist Entsendeland Nummer eins

"Slowenien ist das Entsendeland Nummer eins und entwickelt sich immer mehr zu einem Umschlagplatz", kritisierte Muchitsch. "Slowenien entsendet nicht rechtskonform", betonte er. 73 Prozent der entsendeten Arbeitnehmer aus Slowenien kämen aus Nicht-EU-Ländern, ohne in Slowenien gearbeitet zu haben", verwies der Gewerkschafter auf eine entsprechende Länderauswertung. Slowenien lasse ein System zu, mit dem diese Arbeitskräfte nach Österreich und Europa entsandt würden. "Die Behörden in der Slowakei, Polen und Tschechien unterstützen dieses System, Österreich schaut zu und Brüssel schaut weg", ärgert sich Muchitsch. Slowenien melde an und entsende am nächsten Tag - "noch dazu von Firmen, die in Slowenien nicht anbieten, das sind Briefkastenfirmen", meinte der Gewerkschaftschef. "Das ist aus meiner Sicht eine klare Verfehlung der Entsenderichtlinie." An sich sei diese als Dienstnehmerfreiheit für die 245 Millionen Beschäftigten in der EU gedacht.

200.000 Entsendungen in alle österreichsichen Branchen vor der Pandemie

Im Jahr vor der Pandemie, 2019, gab es laut Gewerkschaft rund 200.000 Entsendungen in alle österreichischen Branchen, etwa 20.000 bzw. 10 Prozent davon entfielen auf den Bausektor. Zum Vergleich: Bei der heimischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) seien insgesamt rund 145.000 Arbeitnehmer gemeldet. Holzbearbeiter, Bautischler, Elektriker etc. eingerechnet beschäftigt die Branche laut GBH 240.000 bis 300.000 Arbeitskräfte mit dem Status Arbeiter.

2011 wurden 70.000 Arbeitskräfte nach Österreich geschickt

2011 wurden rund 70.000 Arbeitskräfte nach Österreich geschickt; heuer zwischen Jänner und Juni sei die Zahl weiter stark gestiegen. Slowenien sei das führende Entsendeland nach Österreich im Bausektor und "Einfallstor für Entsendungen aus dem Westbalkan", etwa Bosnien und Serbien. Gut ein Drittel aller Arbeitnehmer, die von Jänner bis April 2022 an die heimische Bauwirtschaft entsendet wurden, stammen den Angaben zufolge aus slowenischen Firmen. Die meisten "Verdachtsfälle auf Unterentlohnung" gebe es bei slowenischen Entsendeunternehmen - heuer in den ersten vier Monate seien dies 36 Prozent gewesen. "Mit der Ukraine-Krise nimmt das zu", so die Gewerkschaft Bau-Holz. "Leider gibt es dagegen derzeit keine Sanktionsmöglichkeiten", bedauert Muchitsch.

Aufforderung an österreichische Regierung aktiv zu werden

"2019 haben wir eine Beschwerde bei der Wettbewerbsbehörde eingebracht - die liegt nun seit drei Jahren in Brüssel", sagte der GBH-Chef. Die österreichische Regierung sei aufgefordert, aktiv zu werden - Richtung Brüssel, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Polen. "Es hat sich die österreichische Wirtschaft nicht verdient, diesem unfairen Wettbewerb ausgesetzt zu sein." Das organisierte Lohn- und Preisdumping nehme zu. "Da braucht es dringend Maßnahmen und gemeinsame Anstrengungen auf EU-Ebene und in Österreich - wir brauchen grenzüberschreitende Strafen bei Unterentlohnung. Das habe ich auch bei der Europäischen Arbeitsbehörde ELA letzte Woche deponiert und eine Initiative mit dem SWV (Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, Anm.) in Österreich für "Saubere Baustellen" gestartet", erklärte Muchitsch.

Kontrollen auf der Baustellen seine kein ausreichendes Mittel gegen Scheinselbständige

Kontrollen auf der Baustelle schreckten zwar ab, seien aber kein ausreichendes Mittel gegen die steigende Beschäftigung von Scheinselbstständigen. "Wir können gar nicht so viele Kontrolleure beschäftigen, dass Lohn- und Sozialdumping nicht stattfinden. Deshalb müssen wir das vorher lösen", so Muchitsch. Kontrollen schreckten zwar ab, verhinderten illegale Entsendungen aber nicht. Die Sanktion des ausgestellten Strafbescheids ende an der Staatsgrenze. "Wir brauchen auch fälschungssichere Ausweise", sagte der Baumeister und SWV-Spartenobmann Gewerbe und Handwerk Alexander Safferthal. "Wir haben auf der Baustelle etwas anderes zu tun, als das zu kontrollieren."

(APA/Red)

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