Baubranche im Wandel: Frauen übernehmen das Ruder auf der Baustelle

Wer an die Baubranche denkt, hat womöglich noch das Bild von fast ausschließlich Männern auf der Baustelle im Kopf. Im Rahmen des großen Projektes "Wohnpark Gardenga" wird man jedoch eines Besseren belehrt. Die Leitung für das große Wohnprojekt, das auf dem ehemaligen Tennisplatz in Tschagguns entsteht, ist nämlich in doppelter weiblicher Hand. Dort haben die Bauleiterin für Hoch- und Tiefbau Julia Zudrell (26) und die Bauleiterin in der Generalunternehmung Ramona Rudigier (31) vom Bauunternehmen Jäger Bau das Sagen.

"Dachte, Bauleitung ist als Frau schwierig"
Wie sind die beiden in die Baubranche gekommen? Für die 26-jährige Bauleiterin war nicht immer klar, welchen Beruf sie einmal ergreifen möchte. Nach dem HTL-Schulabschluss hatte sie erst noch Bedenken: "Ich dachte, Bauleitung ist als Frau schwierig. Aber es ist dann relativ schnell dazu gekommen." Für den Beruf hat sie sich dann doch vor sechs Jahren entschieden, weil es "eine Kombination aus Baustelle und Büro" ist: "Du sitzt nicht den ganzen Tag am Schreibtisch, sondern du hast einfach auch mit den Leuten draußen zu tun." Diesen Schritt in die Baubranche hat sie nie bereut. Jungen Frauen, die womöglich aus ähnlichen Gründen noch zögern, rät sie: "Einfach machen und ins kalte Wasser springen!
Für Ramona Rudigier hingegen war immer schon klar, dass sie einmal Häuser bauen und zeichnen möchte. Den Berufswunsch Architektin verwarf sie dann jedoch. Im Nachhinein ist sie nun froh darüber: "Die Bauleitung gefällt mir viel besser."
Mehr Frauen auf dem Bau
Dass zwei junge Frauen ein derart großes Projekt wie in Tschagguns leiten, zählte in der Baubranche nicht immer zum Alltag. Als Ramona Rudigier vor elf Jahren nach ihrem HTL-Abschluss in Bautechnik in diesen Beruf einstieg, waren noch weniger Frauen in der Baubranche tätig als heute. "Mittlerweile sind es mehr Frauen am Bau", resümiert sie. Mit ihrem Jahrgang begann dies sich bereits in Sachen Ausbildung abzuzeichnen. Es gab damals bereits mehr Mädchen an der HTL Rankweil im technischen Bereich als noch zuvor. Inzwischen würden auch mehr dieser Absolventinnen der HTL dann tatsächlich im Baugewerbe Fuß fassen, wie Ramona Rudigier beobachtet hat. Zuvor wechselten wohl noch einige HTL-Schülerinnen nach dem Abschluss in andere Bereiche wie in das Gesundheitswesen etwa.
Wenn Frau sich beweisen muss
Die 31-Jährige erinnert sich noch an eine ihrer ersten Baustellen zurück. Damals lief nicht alles sofort reibungslos ab. Sie erlebte teilweise, dass in manchen Situationen ihre Kompetenz als Frau in Frage gestellt wurde und sie sich mehr beweisen musste. Doch gerade solche Situationen haben sie geprägt und motiviert, ihr Können zu zeigen. Was ihr auch gelang: "Das kommt auch mit der Erfahrung."
Auch bei Praktika im Rahmen ihrer Ausbildung war es nicht derart selbstverständlich wie heute, dass sie als junges Mädchen bei allen Tätigkeiten mithalf, Eisen band oder Schaltafel herumtrug. Inzwischen hat sich das aber geändert. Firmenintern beobachtet sie in dieser Hinsicht keinerlei Herausforderungen mehr. Höchstens bei der Zusammenarbeit mit Handwerkern von anderen Unternehmen gelte es womöglich manchmal, sich zu beweisen.

Jeder Anfang ist schwer
Laut Julia Zudrell ist es generell beim Jobeinstieg als 19-Jährige schwer, unerfahren auf die Baustelle zu gehen und den erfahrenen Technikern Anweisungen zu geben - unabhängig vom Geschlecht. Dem stimmt auch Ramona Rudigier zu: "Es kommt natürlich immer darauf an, wie du mit den Leuten umgehst. Du kannst nicht zu jemandem, der 30 Jahre auf der Baustelle ist, gehen und sagen: du machst das jetzt so!" Stattdessen ist ihr Geheimrezept ein Miteinander mit den Technikern.


Großes Projekt
Auf der Baustelle für den "Wohnpark Gardenga" entstehen gerade fünf Gebäude mit insgesamt 52 Wohneinheiten. Die Abbrucharbeiten starteten Mitte Mai, der Spatenstich erfolgte Anfang Juli und der Erstbezug ist voraussichtlich für Sommer 2026 geplant. Die Investitionssumme beträgt laut Jäger Bau 24 Millionen Euro. Von der Doppelhaushälfte über Vogewosi-Wohnungen bis zur Zweizimmerwohnung ist da alles dabei.
Die einzelnen Wohnflächen reichen von vierzig bis 105 Quadratmeter. Diese Vielfalt wurde laut Ramona Rudigier gewählt, um das "Beste aus der schwierigen Situation zu machen". Damit spricht die Montafonerin die Veränderungen in der Baubranche in den vergangenen Jahren an. Besonders hebt die 31-Jährige die Schwierigkeiten in Sachen Finanzierung hervor. Denn viele können sich kein Eigenheim mehr leisten - egal ob Haus oder Wohnung. Gerade große Wohnungen könnten viele nicht mehr finanzieren, erklärt sie. "Eine Vier-Zimmer-Wohnung ist nicht machbar, wenn du keinen Kredit bekommst und alleine bist." In einem derartigen Fall seien kleine Wohnungen für den Einstieg eine Lösung.

(VOL.AT)