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Bagdad: 150 Ministeriumsmitarbeiter entführt

Im Irak haben Männer in Polizeiuniformen bei der möglicherweise größten Massenentführung bis zu 150 Menschen in ihre Gewalt gebracht. Es wurden angeblich nur Sunniten verschleppt.

Die Täter drangen nach Angaben einer Sprecherin der Behörde am Dienstag in das Bildungsministerium in Bagdad ein und verschleppten die männlichen Mitarbeiter und Besucher. Es seien “100 oder vielleicht 150“ Menschen entführt worden. Das wiederholt selbst mit Entführungen in Verbindung gebrachte Innenministerium wurde in Alarmbereitschaft versetzt und leitete eine Großfahndung ein. Es sei nicht bekannt, ob es sich bei den Entführern um Terroristen, Milizionäre oder Sicherheitskräfte handle, sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Geiselnehmer waren in Kleinlastwagen vorgefahren und hatten die Forschungsabteilung des im religiös gemischten Stadtteil Karrada gelegenen Ministeriums gestürmt. Die Bewaffneten hätten allen Frauen befohlen, in einen Raum zu gehen und ihnen die Mobiltelefone abgenommen, berichtete die Ministeriumssprecherin. Dann seien sie mit den Männern verschwunden.

Ein Augenzeuge berichtete, die Polizei habe der Entführung tatenlos zugesehen. Die Täter hätten nur Sunniten verschleppt, deren Religionszugehörigkeit sie anhand ihrer Ausweise überprüften. „Sie nahmen selbst den Tee-Verkäufer mit“, sagte der auf Anonymität Wert legende Ministeriumsmitarbeiter. Auf dem Parkplatz des Ministeriums seien etwa 40 Kleinlaster des Typs gestanden, der auch von der Polizei genutzt werde.

Bildungsminister Abu Dhiab, ein Sunnit, sagte im Fernsehen, er habe das Innen- und das Verteidigungsministerium um stärkeren Schutz gebeten. Seine Mitarbeiter seien ins Visier von Angreifern geraten. Rund um das Ministerium gebe es viele Kontrollpunkte der Polizei und des Militärs. „Wir wissen, dass Polizeiautos den Entführern bis zu einem bestimmten Punkt folgten. Danach verliert sich ihre Spur“, sagte Dhiab.

Die Entführer hätten zum Teil Uniformen einer Spezialeinheit des Innenministeriums getragen. „Wir verurteilen diesen kriminellen Akt“, fügte Dhiab hinzu. Diese Einheit wird von den Sunniten-Parteien oft als verlängerter Arm der schiitischen Partei-Milizen bezeichnet. Allerdings benutzen Terroristen im Irak häufig auch gestohlene oder nachgemachte Uniformen.

Entführungen sind im Irak an der Tagesordnung. Zahlreiche Geiselnahmen gehen auf das Konto religiöser Milizen, die entweder innerhalb der Sicherheitskräfte operieren oder von ihnen mit Ausrüstung unterstützt werden. Das von Schiiten dominierte Innenministerium hat wiederholt Vorwürfe von Sunniten und der US-Regierung bestritten, mit Entführerbanden und Todesschwadronen unter einer Decke zu stecken.

Im Juli hatten Uniformierte in der Nähe des Bildungsministeriums 30 Sportler und Sportfunktionäre entführt, von denen einige später freigelassen wurden. Im Oktober wurden 26 Mitarbeiter einer Fleischerei-Betriebes verschleppt.

Einige Entführungsopfer kommen gegen Lösegeld frei. Viele werden jedoch gefoltert und ermordet. In Bagdad werden täglich etwa 50 unbekannte Tote in Leichenhäusern abgeliefert.

Der irakische Fernsehsender Al-Sharkiya meldete unterdessen, bei einem US-Luftangriff auf Häuser in der westirakischen Aufständischen-Hochburg Ramadi seien in der Nacht zum Dienstag mindestens 30 Menschen getötet worden. 15 weitere Iraker seien verletzt worden. Das irakische Verteidigungsministerium und die US-Armee kommentierten den Bericht zunächst nicht.

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