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Aznar tritt Flucht nach vorne an

„Als echter Kastilier zieht er es vor, auf dem Höhepunkt der Macht wie ein Torero glorreich abzutreten", kommt in seiner Volkspartei (PP) das Pathos nicht zu kurz.

Tatsächlich legt Jose Maria Aznar das Amt des spanischen Premiers nach zwei Legislaturperioden in einem Alter ab, in dem viele ihren ultimativen Karrieresprung erst vor sich haben. Jose Maria Aznar ist 51 Jahre alt.

Aznar will es offenbar nicht darauf ankommen lassen, dass ihn einmal die Wählerschaft aus dem Amt drängen könnte, wie es 1996 seinem Vorgänger und Rivalen Felipe Gonzalez von den Sozialisten (PSOE) passierte. Er zog es vor, selbst die Weichen zu stellen. Sein „dedazo” (Fingerzeig) wies den Vizepremier, Regierungssprecher und früheren Bildungs- und Innenminister Mariano Rajoy in die Rolle des PP-Spitzenkandidaten und präsumptiven Nachfolgers.

Vor allem seit er im März 2000 mit der „Absoluten„ausgestattet worden war, drückte Aznar dem Land seinen Stempel auf. Nicht immer mit Fingerspitzengefühl. Der Historiker Javier Tusell bezeichnet die Ära daher in einem jüngst erschienen Buch bereits als „Aznarato” („Aznariat”). Die erste Amtszeit Aznars (1996-2000) betitelt Tusell „Im Fegefeuer: In Richtung Zentrum?”. Die zweite (2000-2004) überschrieb er: „Im Himmel: Nach Rechts.”

Ursprünglich ein Franco-Verehrer (Tusell: „In seiner Jugend war er Falangist”), fischte Aznar anfangs in der Mitte nach neuen Wählern. 1996 gewann die Volkspartei knapp gegen die bis dahin regierenden Sozialisten von Felipe Gonzalez. Zunächst regierte der dreifache Familienvater mit Unterstützung der gemäßigten katalanischen Nationalisten. Ab März 2000 als „Alleinherrscher”. Mit der absoluten Mandatsmehrheit im Parlament ausgestattet, griff er wieder weiter rechts in die Tasten.

Es wurde auch der Vorwurf der Selbstherrlichkeit laut. Obwohl er die Opposition und den Großteil der Bevölkerung gegen sich hatte, stellte er sich beim Irak-Krieg auf die Seite von US-Präsident George Bush. Für seine Anhänger gab er Spanien damit wieder eine Rolle als „global player” zurück. Innenpolitisch werfen ihm seine Gegner vor, die soziale Kluft verbreitert zu haben. Die Wirtschaftsdaten können sich freilich sehen lassen. Die Arbeitslosigkeit sank von 20 auf elf Prozent, vier Millionen neue Stellen wurden geschaffen. Allerdings sind viele davon nur von kurzer Dauer.

Bezeichnend für Aznars zweite Amtszeit – er wurde 1995 selbst Opfer eines Anschlags mit einer Autobombe – war sein kompromissloser Kurs gegenüber der baskischen Separatistengruppe ETA, deren politischen Arm Batasuna, und den Betreibern weiter gehender Autonomiebestrebungen des Baskenlandes, Kataloniens und Galiciens. Während niemand ernsthaft widersprechen kann, dass die ETA schwächer ist als je zuvor, war sein Umgang mit den gemäßigten Vertretern der baskischen oder katalanischen Nationalisten nicht unumstritten.

Auch nach außen gab sich Aznar gerne starrköpfig. So war es auch Spaniens „Nein” zum Verfassungsentwurf des Konvents, der den EU-Gipfel im Dezember platzen ließ. Aznar riskierte damit sogar einen Konflikt mit traditionellen EU-Partnern wie Frankreich und Deutschland. Er paktierte lieber mit dem Beitrittsland Polen. Auch das ist ein Beweis, dass er seine Standpunkte bis zum Äußersten verteidigt.

Zur Politik fand Aznar durch seine spätere Frau Ana Botella. Mit ihr ging er in den 70-ern zu einer Konferenz des Ex-Franco-Ministers und heutigen Regierungschefs Galiciens, Manuel Fraga Iribarne, der damals der neofranquistischen Volksallianz (Alianza Popular) vorsaß. Die Alianza war die Vorgängerin der Volkspartei.

„Da fiel der Groschen”, erzählte Aznar später oft. Er trat bei und zog 29-Jährig ins Parlament ein. 1987 wurde er Präsident der autonomen Region Kastilien und Leon, 1990 Chef der von ihm reformierten PP. Über seine Zukunftspläne ist wenig bekannt. Sein angeblicher Traum vom Amt des EU-Kommissionspräsident ist derzeit nicht realisierbar. Lehraufträge in den USA dürften auch nicht lebensfüllend sein. Also wird erwartet, dass Aznar vorerst einmal im Hintergrund weiter die Fäden der PP und damit möglicherweise auch der künftigen Regierung ziehen wird.

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