Austritt aus Partei: Birgit Hebein kehrt Grünen den Rücken

"Ja, es stimmt: ich habe vor einigen Tagen meinen sofortigen Austritt aus der Grünen Partei bekanntgegeben", schrieb Birgit Hebein am Sonntag auf Facebook. Die Grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen entspreche nicht mehr dem "Herz" der 54-Jährigen.
Hebein: Türkise Politik begeht Vertragsbruch
In ihrem Facebook-Posting rechnet Hebein nicht nur mit ihrer ehemaligen Partei, sondern auch mit der ÖVP ab. Die Türkisen würden im Widerspruch zu den Vereinbarungen bei den Koalitionsverhandlungen agieren. Insbesondere streicht Hebein dabei ein Versprechen von Bundeskanzler Sebastian Kurz hervor, wobei er "nie vorpreschen wird, um Flüchtlinge aufzunehmen, aber gesprächsbereit sei, wenn andere Länder vorangehen." Dieses Versprechen sieht die ehemalige Chefin der Wiener Grünen nach den Aussagen rund um den Afghanistan-Konflikt gebrochen.
Hebein: Grüne haben Hoffnungen zerstört
Von den Grünen hätte sich die Ex-Politikerin mehr Engagement erwartet. Man sei mit dem Versuch, mit der Regierungsbeteiligung eine Kurskorrektur einzuleiten, an die Grenzen angelangt. "Damit haben wir Hoffnungen zerstört", so Hebein.
Hebein hat nach der Wien-Wahl 2020 bereits ihre Funktionen in Wien zurückgelegt. Zwar konnte sie das bis dato beste Ergebnis für die Öko-Partei erzielen. Nachdem die SPÖ statt mit den Grünen mit den NEOS eine Koalition gebildet hatte, erhielt Hebein keinen Posten mehr im Klub. Wenig später trat sie auch als Parteichefin zurück.
Hebein sorgte für "coole Straßen"
Als Ressortchefin hatte Hebein - wie schon ihre Vorgängerin Maria Vassilakou - mit einigen Initiativen vor allem im Verkehrsbereich für Aufregung gesorgt. Schaffte es die gebürtige Kärntnerin im Sommer 2019 - kurz nach Antritt ihrer neuen Funktion - noch, mittels schnell aus dem Boden gestampfter Feel-Good-Aktionen wie den "Coolen Straßen" fast ausschließlich Pluspunkte in der Öffentlichkeit zu sammeln, erhitzten jüngere Projekte wie die Pop-up-Radwege oder die "autofreie City" die Gemüter schon deutlich mehr.
Es dauerte nicht allzu lange, bis ihr vor allem ÖVP und FPÖ - wie schon Vassilakou - regelmäßig "Autofahrerschikanen" vorwarfen. Aber auch die SPÖ bis hin zu Bürgermeister Michael Ludwig konnte mit der Tatkraft Hebeins nicht immer etwas anfangen, was im Wahlkampf auch zunehmend für persönlichen Verstimmungen zwischen der Stadtregierungsspitze führte. Jüngstes Beispiel dafür war das City-Verkehrskonzept, dem der Stadtchef einen Riegel vorschob.
Seit 2018 Parteichefin der Wiener Grünen
Hebein, die 2018 Parteichefin wurde (die Funktion gab es vorher bei den Wiener Grünen nicht, Anm.), saß von 2010 bis 2020 im Gemeinderat und war dort jahrelang Sozialsprecherin. Bald galt sie - anders als ihre zuweilen in sehr getragener Stimmlage vorgebrachten Reden vermuten ließen - als harte Verhandlerin, wenn es etwa um das Thema Mindestsicherung ging. Wohl nicht zuletzt deshalb berief Bundeschef Werner Kogler seine Parteifreundin in das Kernverhandlungsteam, als es Ende 2019 darum ging, einen Koalitionspakt mit der ÖVP auszudealen.
Vor ihrem Einzug in das Stadtparlament war Hebein Bezirksrätin und Klubobfrau in Rudolfsheim-Fünfhaus. Außerdem engagierte sie sich von 2000 bis 2002 bei der Grünen Gewerkschaft AUGE. Vor ihrer politischen Karriere arbeitete die diplomierte Sozialarbeiterin unter anderem im Bahnhofssozialdienst der Caritas Wien und bei der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung.
Leidenschaftliche Tarockspielerin
Ihren beruflichen Anfängen ist Hebein inhaltlich auch in ihrem politischen Leben treu geblieben. Armutsbekämpfung und soziale Gerechtigkeit waren ihre thematischen Steckenpferde als Abgeordnete. Mit der Übernahme des Verkehrs- und Stadtplanungsressorts versuchte sie den Brückenschlag zwischen sozialer Frage und Klimaschutz.
Nach der Wahl 2020 bzw. nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Stadtregierung wurde die leidenschaftliche Tarockspielerin vom Grünen Klub abserviert. Sie wurde weder Klubchefin noch nicht amtsführende Stadträtin. Anfang 2021 zog sie sich auch von der Parteispitze zurück.
Wiener Grüne respektieren Austritt
In der Wiener Landespartei kommentierte man den Schritt der Ex-Chefin am Sonntag folgendermaßen: "Wir respektieren den formalen Austritt von Birgit Hebein aus der Grünen Partei, für die sie viele Jahre als Aktivistin, Abgeordnete und Vizebürgermeisterin aktiv war." Über ihre Beweggründe könne sie selbst am besten Auskunft geben, hieß es in der an die APA übermittelten Stellungnahme.
"Für uns Wiener Grüne war und ist immer klar: Wien ist Menschenrechtsstadt. Dafür setzten wir uns auch gerade jetzt ein. Die Menschenrechte und ihre Erklärung sind unteilbar und unantastbar. Sie sind unmissverständlich, alternativlos und die größte Errungenschaft unserer Gesellschaft. Dafür treten wir als Wiener Grüne ein", wurde betont. In Bundespartei und Parlamentsklub gab es auf APA-Anfrage keine Reaktion.
(APA/red)