Außenminister Schallenberg besucht Vietnam

Vietnam bekommt seltenen Besuch aus Österreich. Begleitet wird Schallenberg von einer großen Wirtschaftsdelegation, angeführt vom WKÖ-Vizepräsidenten Philipp Gady. Der kommunistische Staat gilt nicht nur als großer Hoffnungsmarkt, sondern auch als potenzieller Verbündeter des Westens bei der Eindämmung der immer aggressiver auftretenden Weltmacht China.
Schallenberg wird Sonntagnachmittag in Hanoi erwarten
Schallenberg wird am Sonntagnachmittag (Ortszeit) in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi erwartet. Für Montag sind Treffen mit Außenminister Bui Thanh Son, Regierungschef Pham Minh Chinh sowie Planungsminister Nguyen Chi Dung angesetzt. Am Dienstag trifft Schallenberg noch Industrie- und Handelsminister Nguyen Hong Dien. Letzter österreichischer Außenminister in Hanoi war im Jahr 1995 Alois Mock gewesen, der damals Bundespräsident Thomas Klestil begleitet hatte. Ende Mai 2012 absolvierte der damalige Bundespräsident Heinz Fischer einen dreitägigen Staatsbesuch in Vietnam. In der Delegation befanden sich unter anderen Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sowie WKÖ-Präsident Christoph Leitl und zahlreiche Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter.
Schallenberg erwidert Visite von Bui
Schallenberg erwidert eine Visite seines Amtskollegen Bui, der im vergangenen September aus Anlass des 50. Jahrestags der Aufnahme diplomatischer Beziehungen in Wien gewesen war. Die Beziehungen wurden Ende 1972 aufgenommen, also noch vor dem US-Rückzug aus Vietnam und drei Jahre vor dem Fall der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon. Entsprechend gut angeschrieben ist Österreich bei den im Vietnamkrieg siegreichen Kommunisten.
Für Schallenberg steht die Reise im Kontext einer "strategischen Hinwendung Österreichs zum asiatisch-pazifischen Raum". "Der Indo-Pazifik ist Wachstumsregion, Aorta der Weltwirtschaft und geoökonomisches Gravitationszentrum zugleich. Was in der Region passiert, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit, Stabilität und den Wohlstand Europas", betonte der Außenminister im Vorfeld. Zudem sei die Region "im Umbruch, die Karten werden gerade neu gemischt". Daher sei es wichtig, dass das Außenministerium Türöffner und Fürsprecher für die österreichische Exportwirtschaft sei.
Schallenberg reist nach Vietnam
Politisch dürfte der Außenminister seine Visite nutzen, um für die Sichtweise Europas im russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine zu werben. Vietnam zählt zu jener Ländergruppe, die sich bei den UNO-Resolutionen zur Verurteilung der russischen Aggression enthalten haben. Anders als etwa im Fall Chinas handelt es sich dabei aber nicht um eine prononciert "pro-russische" Neutralität. Vielmehr ist das Land aufgrund seiner leidvollen Geschichte an guten Beziehungen zu allen großen Mächten interessiert. Dazu zählt auch der ehemalige Kriegsgegner USA, mit dem Mitte der 1990er-Jahre wieder politische und wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen wurden. Diese haben jüngst an Relevanz zugenommen. So haben viele US-Unternehmen ihre Fertigungsstätten aus Sicherheitsgründen von China nach Vietnam verlegt.
Österreich und Vietnam außenpolitisch verbunden
Österreich und Vietnam verbindet außenpolitisch einiges. Die Länder würden gemeinsam für Multilateralismus, die Achtung des Völkerrechts und Abrüstung eintreten, sagte die Abteilungsleiterin Asien/Pazifik im Außenministerium, Bita Rasoulian, im Vorfeld der Reise vor Journalisten. So habe Vietnam als eines der ersten Länder den von Österreich forcierten Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Der vietnamesische Botschafter Nguyen Trung Kien hob ebenfalls das Bekenntnis beider Staaten zu völkerrechtlichen Prinzipien hervor. Vietnam trete dafür ein, dass die Territorialstreitigkeiten im südchinesischen Meer im Einklang mit internationalen Verträgen wie dem Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) gelöst werden. "Nicht alle Länder bekennen sich zu friedlichen Lösungen", sagte er in offenkundiger Anspielung auf China.
Wie Gady sagte, wird Schallenberg bei der Reise von 21 Unternehmern begleitet. "Vietnam ist der Ort, an dem man sein muss", sagte der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Diesbezüglich hob er auch die großen Chancen des 2020 in Kraft getretenen EU-Vietnam-Freihandelsabkommens hervor, das bis zum Ende des Jahrzehnts praktisch alle Handelshemmnisse beseitigen soll. Schon jetzt sei Vietnam mit einem bilateralen Handelsvolumen von 1,6 Milliarden Euro der größte österreichische Wirtschaftspartner in der Region. 60 österreichische Firmen seien mit Niederlassungen präsent. Der Handelsdelegierte in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon), Dietmar Schwank, sieht aktuell vor allem Chancen in staatsnahen Sektoren wie Infrastruktur, Energie und öffentliche Sicherheit, weil die kommunistische Regierung große Investitionen plant. Im Rahmen des Besuchs wird es dazu ein Wirtschaftsforum mit Unternehmern und Behördenvertretern geben.
"Österreich ist einer der wichtigsten Partner Vietnams in Europa"
"Österreich ist einer der wichtigsten Partner Vietnams in Europa", betonte Botschafter Nguyen. Er hob dabei die Bedeutung der Wirtschaft für die bilateralen Beziehungen hervor. "Der erste Gesandte, den der österreichische Kaiser vor über 150 Jahren nach Saigon geschickt hat, war ein Unternehmer", sagte der Diplomat. Österreich und Vietnam würden einander wirtschaftlich gut ergänzen. So könne mit österreichischen Maschinen die vietnamesische Agrarproduktion modernisiert werden, während österreichische Seilbahnen bei der touristischen Erschließung des Landes geholfen hätten. "Sehr beeindruckt" zeigte sich Nguyen auch von der österreichischen Lehrlingsausbildung. Diesbezüglich verwies er darauf, dass Deutsch mittlerweile die zweitwichtigste Fremdsprache in Vietnam sei und damit die Sprache der früheren Kolonialmacht Frankreich überholt habe. "Das ist vielversprechend, denn die Sprache bringt die Menschen zusammen", so Nguyen.
(APA/Red)