Der Anfang März im Zuge einer Personenkontrolle am Flughafen Wien-Schwechat festgenommene bosnische Ex-General Jovan Divjak wird nicht an Serbien ausgeliefert. Das hat das Landesgericht Korneuburg am Freitag entschieden. Das Auslieferungsbegehren Serbiens, das gegen Divjak im Jahre 2008 einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hatte, um ihn strafrechtlich verfolgen zu können, wurde aus menschenrechtlichen Erwägungen für unzulässig erklärt, gab Behördensprecherin Christa Zemanek in einer Presseaussendung bekannt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Kein faires Verfahren
Das Gericht befürchtet, dass Divjak in Serbien mit keinem fairen Verfahren rechnen kann. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass auch Serbien die Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beachtet. “Da aber gerade das Abkommen über den Austausch von Beweisen von Kriegsverbrechen zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina nicht zustande gekommen ist, kann insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass sich der vermeintliche Tatort außerhalb des Hoheitsgebietes von Serbien befindet, nicht ausgeschlossen werden, dass die serbischen Behörden nicht an alle Beweismittel bzw. Zeugenaussagen der bosnischen Behörden bzw. des Internationalen Gerichtshofs gelangen können”, gibt das Landesgericht Korneuburg zu bedenken.
Dadurch sei für Divjak die von Artikel 6 EMRK geforderte Einhaltung der Waffengleichheit bei einem gerichtlichen Strafverfahren auf serbischem Staatsgebiet nicht gewährleistet: “Diese massive Einschränkung der Verteidigungsrechte macht seine Auslieferung an die serbischen Behörden unzulässig.”
Vorwurf der Mitverantwortung für Kriegsverbrechen
Divjak hatte zu Beginn des Bosnien-Krieges (1992-1995) als einziger serbischer General in der neu geschaffenen bosnisch-muslimischen Armee einen Führungsposten erhalten. Er wird der Mitverantwortung für Kriegsverbrechen in Sarajevo am 2. Mai 1992 verdächtigt: Bei einem Angriff auf die aus der bosnischen Hauptstadt abziehenden jugoslawischen Truppen waren mehrere Offiziere, Soldaten und Zivilisten ums Leben gekommen. Eine genaue Opferzahl wurde von den damaligen jugoslawischen Behörden nie veröffentlicht. Inoffizielle Angaben sprachen von mehr als 40 Toten und rund 200 gefangen genommenen Soldaten.
Im Zusammenhang damit verweist nun das Landesgericht Korneuburg darauf, die Staatsanwaltschaft des internationalen Kriegsverbrechentribunals für das ehemalige Jugoslawien (OTP) hätte auf Grundlage der ihr vorliegenden Unterlagen geprüft, ob die Ereignisse vom 2. Mai 1992 einen Fall schwerer Verletzungen der internationalen Menschenrechte darstellten, der in die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs gefallen wäre. Aus Sicht der OTP hätten unzureichende Beweise für die Verfolgung der Verdächtigen wegen Kriegsverbrechen vorgelegen, weshalb in diesem Fall keine Ermittlungen durchgeführt wurden.