AA

Aufruf zum Heiligen Krieg

Mit ihrer jüngsten Grossoffensive im Osten Afghanistans wollen die US-Soldaten und ihre Verbündeten die Verstecke der Taliban- und El-Kaida-Kämpfer ausheben.

Dass diese sich entlang der pakistanischen Grenze neu gruppieren, beobachten amerikanische und afghanische Regierungsvertreter seit einiger Zeit mit grosser Sorge. Nach ihren Angaben werden an die Bewohner der Region immer wieder Pamphlete verteilt, in denen zum Dschihad, dem Heiligen Krieg, gegen die USA und die gesamte westliche Welt aufgerufen wird.

„Wir haben Waffen gefunden, viele Waffen“, berichtet Siarat Gul Mangal, stellvertretender Geheimdienstchef in der östlichen Provinz Paktia. Dort halten sich nach einschlägigen Schätzungen die meisten der geflüchteten Taliban- und El-Kaida-Kämpfer auf. Hinzu kommen noch 4.000 bis 5.000 ihrer ausländischen Anhänger. Sie werden offenbar unterstützt von kaschmirischen Separatisten, islamischen Extremisten in Pakistan und einigen Exmitgliedern des pakistanischen Geheimdienstes. „Wir haben Tschetschenen, Araber und Pakistaner in den Bergen ausfindig gemacht“, bekräftigt Mangal.

Organisator der Neugruppierung von vermutlich mehreren hundert Kämpfern soll Dschalaluddin Hakkani sein, wie aus amerikanischen Quellen verlautete. Der ehemalige Kabuler Minister für Grenzangelegenheiten steht ganz oben auf der Liste der von den USA gesuchten Taliban-Führern. Während der Zeit der sowjetischen Besatzung Afghanistans wurde er als Untergrundkämpfer von Washington noch unterstützt. Mittlerweile weiss man, dass er dem Terrornetzwerk El Kaida sehr nahe gestanden hat.

Angesichts der amerikanischen Luftangriffe hatte Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar schon vor dem Fall seines Regimes vor drei Monaten damit gedroht, dass sich seine Kämpfer in die Berge zurückziehen und einen Guerillakrieg starten würden. Er soll nun im südostafghanischen Grenzgebiet zwischen Maruf, Ghasni und Paktika umherreisen, um die Bevölkerung zum Heiligen Krieg zu motivieren.

Verteidigung des Islams angemahnt

Dass diese Bemühungen nicht vergeblich sein dürften, ist für Geheimdienstvize Mangal offensichtlich: „Unsere Gesellschaft besteht grösstenteils aus Analphabeten, und die meisten wissen nicht, worum es geht. Die Kämpfer sagen den Leuten einfach, erst habe die Sowjetunion den Islam angegriffen, und jetzt attackiere der Westen den Islam. Also müsse der Islam verteidigt werden.“

Diese Argumentation wird bekräftigt in so genannten Schabnama – in Pamphleten, wie sie seinerzeit auch von den US-gestützten Rebellen im Kampf gegen die sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzt wurden. Auch Kommandeure der regierungstreuen afghanischen Streitkräfte sollen kontaktiert worden sein, um gegen die US-Truppen zu kämpfen.

Mangal ist davon überzeugt, dass die Taliban- und El-Kaida-Kämpfer Unterstützung aus Pakistan erhalten, und zwar nicht nur von islamischen Extremisten, sondern auch vom pakistanischen Gemeindienst. Die Regierung in Islamabad hat dies vehement bestritten. Pakistan hatte das Taliban-Regime im Nachbarland jahrelang unterstützt, sich aber nach den Terroranschlägen vom 11. September auf die Seite der USA gestellt.

Einem früheren Taliban-Vertreter zufolge hat vor kurzem immerhin ein Treffen ehemaliger ranghoher pakistanischer Geheimdienstler mit Hakkani stattgefunden. Der mutmassliche Organisator für die Neugruppierung der Kämpfer im Osten Afghanistans soll jenseits der Grenze im Nordwesten Pakistans Unterschlupf gefunden haben.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Aufruf zum Heiligen Krieg
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.