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Aufregung um Nehammer-Video: So reagieren FPÖ, SPÖ, Grüne und Co.

Kanzler Nehammer gerät nach der Veröffentlichung des besagten Videos in Kritik.
Kanzler Nehammer gerät nach der Veröffentlichung des besagten Videos in Kritik. ©APA/Canva
Nachdem am Mittwochabend ein Video auf Twitter aufgetaucht ist, das Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in geselliger Runde in einer Vinothek zeigt, erntet der Kanzler dafür am Donnerstag Kritik.
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In der sechsminütigen Aufnahme schimpft er über Frauen, die in Teilzeit arbeiten, die Diskussion um Kinderarmut und die Sozialpartnerschaft. Empört über das Video hingegen zeigen sich ÖGB, Caritas, Grüne, SPÖ und FPÖ. Andreas Babler kündigt sogar eine Pressekonferenz zu dem Thema an.

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Darum geht's:

  • Bundeskanzler Nehammer kritisiert Frauen in Teilzeit und die Diskussion um Kinderarmut
  • Gewerkschaft und Caritas sind empört über die Aussagen
  • Kritik kommt auch von der FPÖ und den Grünen, Caritas-Präsident
  • Das Netz macht sich lustig

McDonald's-Burger für Kinder

"Ich habe mit meinen Sozi-Freunden oder linken Freunden, das ist jetzt ein Euphemismus, könnt's euch vorstellen, das sind keine Freunde (...)" startet das Video, aufgenommen bei einem Besuch bei der ÖVP Hallein Ende Juli. Was folgt, ist eine Empörungsrede Nehammers vor Parteifreunden. Etwa über Frauen, die in Teilzeit arbeiten, obwohl sie keine Betreuungspflichten haben. Aber auch wenn es heiße, es gebe Kinder, die keine warme Mahlzeit bekämen, regt das den Kanzler auf: "Wisst's was die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist? Ist nicht gesund, aber sie ist billig: ein Hamburger bei McDonald's", so Nehammer. Die ÖVP bestätigte gegenüber Puls 24 die Aussagen des Kanzlers.

In dieser Diskussion dürfe man sich nicht verlieren. "Dann heißt das: Jeder Elternteil hat sein Kind beim Staat einzumelden, wir machen Kalorientabellen, wir schauen wie viel Essen kriegt das Kind, wie wird's ernährt und dann sind wir in der DDR."

Nehammer zieht über Gewerkschaft her

"Ja, ja, ich bin bei dir, ich komm zu dem", ruft der Kanzler einem Zuhörer zu, der in die Rede hineinruft meint, er habe kein Problem damit, wenn jemand 30 Stunden arbeite oder 20, aber "ohne Subventionen von uns allen, die fleißig arbeiten." Nehammers Antwort: "Was ist in Österreich real? Real ist, über all das hab ich mich mit dir gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft her und die Wirtschaftskammer her und sagt: "He, putz di, Sozialpartnerschaft, Sozialpartnerschaft!"

Johannes Rauch ortet Zynismus

Als zynisch bezeichnet es der grüne Sozialminister Johannes Rauch, Menschen in Not auszurichten, sie seien selbst Schuld oder sollen ihren Kindern Fast Food servieren. "In der Regierung arbeiten zwei sehr unterschiedliche Parteien mit teils sehr unterschiedlichen Werthaltungen zusammen. Der Bundeskanzler sagt ja selbst am Ende dieses Videos, dass seine Vorstellungen mit den Grünen nicht durchzusetzen sind. Und das ist gut so." Auch er lobt die von der Regierung aufgrund der Teuerung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen. "Wir können und wollen nicht zuschauen, wie Kinderarmut zunimmt: Deshalb gibt es zusätzlich 60 Euro pro Kind und Monat, für jene, die es besonders brauchen - die Auszahlung beginnt heute, rückwirkend ab Juli."

Klubobfrau Sigrid Maurer präzisierte auf Twitter: "Die Teilzeitquote wird sich erst dann ändern, wenn es tatsächlich Wahlfreiheit gibt - mit einem entsprechenden Ausbau der Kinderbetreuung. Das hat der Kanzler selbst angekündigt - es ist jetzt ein guter Zeitpunkt diesen Worten Taten folgen zu lassen."

So regiert die Gewerkschaft

Die Gewerkschaft, die Nehammer im Video auch als größten Bremser bei der "Rot-weiß-rot"-Card bezeichnet, zeigt sich über die Rede des Kanzlers empört. "Die Sozialpartnerschaft hat einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen geleistet, insbesondere durch Maßnahmen wie die Kurzarbeit. Die Behauptung des Kanzlers, dass die Sozialpartnerschaft ein Hindernis sei, ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie ist ein Erfolgsmodell für unser Land und hat maßgeblich zu unserem Wohlstand beigetragen. Für uns sind die Aussagen des Kanzlers daher absolut unverständlich", sagte Vizepräsidentin Korinna Schumann zur APA. Die Wirtschaftskammer wollte die Aussagen gegenüber der APA nicht kommentieren.

SPÖ-Babler will Respekt

Empörung machte sich davor schon auf Twitter (X) breit. "Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Bundeskanzler verdient, der die Menschen respektiert, statt sie zu verachten", schrieb SPÖ-Obmann Andreas Babler. Er kündigt eine Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag zu dem Thema an.

FPÖ-Chef Kickl findet harte Worte

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte Nehammer scharf: "Immer dann, wenn Nehammer glaubt, unter Seinesgleichen zu sein, bricht bei ihm diese Mentalität durch, die man aus der Führungsmannschaft der ÖVP nur allzu gut kennt - Stichwort Pöbel! Ein Politiker, der derart empathielos, abgehoben, eiskalt und eine derartige Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag legt, ist für den Job als Bundeskanzler ungeeignet."

©APA

Grüne Menschenrechtssprecherin spricht von Abwertung

Vom grünen Koalitionspartner meldeten sich vorerst die Frauensprecherin Meri Disoski sowie die Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic auf Twitter zu Wort. Für letztere ist die "offene Abwertung einer sozial-gerechten Politik wenig überraschend Teil der bürgerlichen Verrohung, auch wenn trotzdem erschreckend in dieser Offenheit."

Caritas-Präsident über Hunger in Österreich

Klare Worte kamen am Mittwochabend auch von Caritas-Präsident Michael Landau. "In Österreich muss niemand verhungern oder im Winter erfrieren. Weil wir in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben. Aber wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung", schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst.

Auch das Netz macht sich lustig

(APA/VOL.AT)

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