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Kurz kritisiert Innenministerium wegen Info-Sperre

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Pläne des Innenministeriums, gegen sogenannte kritische Medien eine Info-Sperre zu verhängen und den Fokus in der polizeilichen Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität zu legen, sorgen für Kritik von Medien und Opposition. Selbst Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte, am Rande der UNO-Generalversammlung in New York, Kritik an den Plänen des Innenministeriums.
Medienkontrolle: Das steht im Mail des Innenministeriums


Die Botschaft von Sebastian Kurz in Richtung des Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) ist eindeutig:”Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel.”

Ausgrenzung oder Boykott ist nicht akzeptabel

Die Ankündigung des Innenministeriums, eine neue Kommunikationsrichtlinie zu erarbeiten und eine faire Zusammenarbeit mit allen Medien anzustreben, hält Kurz für richtig. Jedoch dürfe seiner Ansicht nach keine Ausgrenzung oder ein Boykott von ausgewählten Medien stattfinden. Das gelte für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen, sagte Kurz.

Der Kanzler betonte zudem, dass dies für alle Parteien zu gelten habe. Im Bundeskanzleramt verwies man darauf, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu solchen Versuchen von Kommunikationsverantwortlichen gekommen sei, wie etwa unter dem früheren Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Dessen Team hatte Anfang 2017, wegen eines für die damalige Regierung wenig erquicklichen “Bürgerforums”, vorübergehend den ORF boykottiert und im Herbst 2017 einen Inseratenboykott über eine österreichische Tageszeitung verhängt.

Keine “Zuckerl” mehr

“Kurier” und “Standard” hatten über eine Mail des von Kickl eingesetzten Ministeriumssprechers an diverse Polizeidienststellen berichtet, wonach die Kommunikation mit kritischen Medien wie “Kurier”, “Standard” oder “Falter” auf das Nötigste, also das rechtlich vorgesehene Maß, zu beschränken sei. Es solle zukünftig keine “Zuckerl” mehr für die Medien geben, weil diese laut Innenministerium einseitig und negativ berichten würden. Als positives Beispiel werden in dem Schreiben hingegen vom Innenressort abgenommene Polizei-Formate des Privatsenders ATV genannt.

Darüber hinaus wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, offensiver zu kommunizieren. Das Innenministerium will damit den Fokus stärker auf die Ausländerkriminalität richten.

Das Ministerium versuchte nach Bekanntwerden des Papiers, wie schon in der BVT-Affäre, den Eindruck zu vermitteln, dass der politisch verantwortliche FPÖ-Minister mit dem Vorgehen seiner Mitarbeiter und Beamten nichts zu tun habe. Kickl sei “weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung”, hieß es in einer Aussendung. Die durchgesickerten Pläne wurden als “Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter” bezeichnet. Zugleich wurde in der offiziellen Ministeriumsaussendung aber festgehalten, dass der “Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien”, angesichts der Berichte über die Pläne des Ministeriums, “nicht aus der Luft gegriffen” sei.

“Frontalangriff auf die Medienfreiheit”

“Kurier”-Herausgeber Helmut Brandstätter warf dem Innenminister unterdessen versuchte Manipulation der Öffentlichkeit vor. Das Recht der Bevölkerung auf Information soll beschnitten werden. “Der Innenminister und andere Kräfte in unserem Land wollen nicht akzeptieren, was das Wesen des Journalismus ist.” Investigativer Journalismus kläre die Öffentlichkeit auf, indem er Informationen der Regierung und privater Institutionen bekannt mache, die diese sonst unterdrücken würden, zitierte Brandstätter aus den Leitlinien des berühmten Pulitzer-Preises. “Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist.”

Beim “Standard” sprach man von einem “Frontalangriff auf die Medienfreiheit”. Kritik am Innenministerium kam auch von Boulevardmedien. So erklärte sich etwa “Heute”-Chefredakteur Christian Nusser via Twitter.

Auch die Oppositionsparteien übten heftige Kritik an den Überlegungen des Innenministeriums. SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die “Empfehlungen” des Innenministeriums einen “Maulkorberlass für unabhängige Medien”. Politisch verantwortlich dafür sei der Innenminister. Die Letztverantwortung dafür trage allerdings Bundeskanzler Sebastian Kurz, der dem Treiben seines Innenministers auch beim BVT seit Monaten tatenlos zusehe. “Ich fordere Kurz auf, seinem Bekenntnis zu Pressefreiheit Taten folgen zu lassen und klare Konsequenzen zu ziehen, um diese versuchte Orbansierung Österreichs zu verhindern”, so Drozda.

Der Versuch einer Einflussnahme nach dem Prinzip “Zuckerbrot und Peitsche”, auf die Vierte Gewalt im Staat, sei in Österreich einmalig und entschieden zurückzuweisen, erklärte der SP-Mediensprecher. Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser sowie die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gersthofer legten Kickl den Rücktritt nahe.

“Gleichschaltung” und “Orbanisierung”

Besorgt reagierte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger. “Ein derart frontaler Angriff auf die Pressefreiheit ist völlig inakzeptabel. Der Innenminister verliert jede Hemmschwelle. Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden – er ist endgültig rücktrittsreif”. Dass die Herkunft von Tätern öffentlich genannt werden soll und keine Rücksicht mehr auf den Opferschutz bei Sexualdelikten genommen wird, zeige wohin die Reise geht.

Dass Kickl vom Schreiben seines Ressortsprechers angeblich nichts wusste, sei das übliche Spiel des Ministers. “Kickl muss sich verantworten und Konsequenzen ziehen.” Die NEOS wollen den Innenminister daher während der Nationalratssitzung am Mittwoch ins Plenum holen, um eine dringliche Anfrage an ihn zu richten. “Sollte er sich wieder mit absurden Begründungen herausreden wollen und erneut jede Verantwortlichkeit von sich weisen, werden wir einen Misstrauensantrag gegen Herbert Kickl einbringen”, sagte Meinl-Reisinger. Den Worten von Bundeskanzler Kurz müssten Taten folgen. “Ich hoffe, dass dies nicht zur Message-Control von Bundeskanzler Kurz gehört. Es braucht hier endlich Konsequenzen.”

Für Bruno Rossmann, den Klubobmann der Liste Pilz, ist die Mail des Innenministeriums zur Beschränkung der Information an bestimmte Medien “unfassbar”. Rossmann zeigte sich in einer Pressekonferenz “geschockt” und sprach vom “Beginn der Kontrolle und der Gleichschaltung der Medien”. Wer kritische Medien in Frage stelle, der stelle die Demokratie in Frage. Er habe immer vor einer “Orbanisierung” Österreichs gewarnt, diese trete nun viel rascher als gedacht ein, sagte Rossmann.

(APA)

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