Mongol” steht in kyrillischer Schrift auf dem großen Filmplakat vor dem Kino in der Nähe des zentralen Busbahnhofs der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Tatjana, die rothaarige, europäisch aussehende Geschäftsfrau, ist wie wir auf dem Weg zur östlichen Seite des Issyk-Kul-Sees. Das Plakat wirbt für den neuen Film des russischen Regisseurs Sergei Bodrov, der das Leben Dschingis Khans beschreibt”, beantwortet sie unsere fragenden Blicke: Eine russisch-kasachisch-amerikanisch-deutsche Co-Produktion.”
Karakol, Karakol”, schreit der kirgisische Fahrer der Linie 501. Da es keine festen Abfahrtzeiten gibt, die Marschrutka (ein Kleinbus-Sammeltaxi) fährt erst ab, wenn alle Plätze verkauft sind, sollte man ausreichend Zeit für die Reise einplanen. Nach einer Stunde startet der Motor.
Genug Zeit einplanen
Drei Stunden später schimmert das Blau des Issyk-Kul-Sees (großes Bild) zum ersten Mal zwischen den Bäumen hindurch. Auf der gegenüberliegenden Seite begrenzen ihn im Dunst versteckte Viertausender des südlichen Tien-Schan-Gebirges.
Bevor Tatjana mit ihrem Laptop in der Menschenmenge auf dem Marktplatz von Karakol verschwindet, unternimmt sie mit uns noch eine kurze Stadtführung. Die Stadt wurde 1864 von Kosaken als Garnisonsstadt gegründet”, erzählt sie: Noch heute gibt es viele historische Gebäude aus dieser Zeit: alte russische Blockhäuser, so genannte Sruby, und die einzige aus Holz gebaute russisch-orthodoxe Kathedrale Kirgistans.”
Kathedralen, Museum
Eine dunganische Moschee, die wie ein buddhistischer Tempel aussieht, wurde ebenfalls aus Holz geschaffen, ohne dabei einen einzigen Nagel zu verwenden. Die Dunganen sind chinesische Moslems, die sich 1883 hier niederließen. Dobro poschalowat (herzlich willkommen”) im Prschewalski Museum”, begrüßt Museumsführerin Elena ihre Besucher. Mit Bewunderung und Leidenschaft berichtet sie von den vier Expeditionen des Forschers Nikolai M. Prschewalski. Prschewalski wurde 1839 in der Nähe von Smolensk geboren. Er unternahm Expeditionen, die ihn nach China, Tibet, in das Tien-Schan-Gebirge, die Mongolei und die Taklamakan-Wüste führten. Die Ergebnisse dieser ausgedehnten Forschungen eröffneten eine neue Ära für Fauna und Flora dieser bis dahin unbekannten Regionen.
Achterbahnfahrt
Am nächsten Tag fahren wir mit einem klapprigen Auto ins Jeti-Oguz-Reservat. Fahrer Andrej versucht jedem Schlagloch auszuweichen, wodurch die Fahrt auf der fast schnurgeraden Straße einer Achterbahnfahrt nahe kommt. Im Kurort Jeti-Oguz trafen 1991 Boris Jelzin und der damalige kirgisische Präsident Askar Akajew zusammen, um über das Schicksal unseres Landes zu beraten”, erwähnt Andrej. Berühmter wurde der Ort durch ein rotes Felsmassiv mit sieben Einkerbungen: Der Sage nach waren dies einmal sieben wilde Ochsen, die das Land verwüsteten – für ihre Untaten wurden sie damit bestraft, dass sie versteinerten.”
Nicht weit vom Stadtzentrum von Tokmak entfernt befinden sich in Richtung Süden die Überreste der alten Stadt Burana, die im 11. Jahrhundert von den Karachaniden gegründet wurde. Aus der Ferne ragt der 24 Meter hohe Stumpf eines Minaretts gen Himmel.
Im kleinen Museum nebenan erfahren wir, dass der Turm ursprünglich 45 Meter hoch war und daneben eine Moschee stand. Der Blick auf die Gesamtanlage und die schneebedeckten Berge des Kegetty-Gebirges lohnt die Mühen des Aufstiegs. Rechts sehen wir einige Steintafeln, die wie Grabsteine aussehen. Es sind Balbas, die Gesichtszüge und Haartracht von Männern darstellen”, erklärt Andrej.
Balbas-Figuren
Man vermutet, dass es Gesichter von getöteten Feinden sind, aus der Zeit als die Bevölkerung noch turkstämmig war.” Wie das gesamte Land wurde diese Stadt im Jahr 1219 ohne Widerstand von Dschingis Khan erobert, aber nicht zerstört. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde sie aufgegeben und verfiel langsam.
Unsere Frage, ob Sergei Bodrov diese Kulisse auch für seinen Film Mongol” verwendet hat, kann uns Andrej nicht beantworten. Seid doch stolz, dort stehen zu können, wo einmal ein mächtiger Herrscher sein Lager aufgeschlagen hat”, sagt er und schaut hinüber zu den schneebedeckten Bergen im Osten.