Das war das gestrige 1.-Mai-Programm des obersten Vorarlberger Gewerkschafters und SPÖ-Mitgliedes Norbert Loacker.
Tag der Arbeit ohne Partei- und Gewerkschaftskundgebung, ohne rote Nelke, ohne Absingen der Internationalen. Grenzt das für einen ÖGBLandesvorsitzenden nicht schon beinahe an Gesinnungsverrat? Loacker dazu gestern auf VN-Anfrage: Nach den Unglaublichkeiten, die sich vor allem rund um ÖGB und Bawag in jüngster Zeit ereigneten, gibt es zumindest für mich nichts zu feiern und zu festen. Ich habe mich bewusst und gern auf diese ,BündtÑ zurückgezogen, um nachdenken zu können, um den Kopf wieder klarzukriegen. Auch der SPÖ sei er, in diesem Sinn, gestern nichts schuldig gewesen. Als verantwortungsbewusster Gewerkschafter braucht man zu allen Parteien eine gesunde Distanz. Ich messe jede Partei, auch die SPÖ, primär daran, was sie zum Nutzen der Arbeitnehmer in diesem Land tut, zeigt sich Loacker desillusioniert, enttäuscht.
Auf die Mitglieder hören
Worüber er beim Einbetten derJungbäumchennachdenkt? Ü ber Wege, wie wir wieder ran an die Mitglieder kommen. Wie wir Betriebsräten, Vertrauensleuten, Personalvertretern den Rücken stärken können. Denn so viel ist klar: Hätten diese Obermacher und Kleinstgremien im ÖGB, die nach einsamen Entscheidungen alles von oben nach unten dekretierten, den Bezug zum Gewerkschaftsmitglied nicht völlig verloren, wäre vieles, das uns jetzt erstarren lässt, gar nie passiert. Weil dann nämlich lang vor möglichen Katastrophen kritische Fragen gestellt worden wären, ist sich Loacker gewiss.
Jetzt sei man im ÖGB zur Schadensbegrenzung aufgerufen. Und die funktioniert nur, wenn auf allen Ebenen Klartext geredet, analysiert und ein Neuanfang sorgfältig konzipiert wird. Also die Meinung der Mitglieder, deren Beiträge das ganze Gebilde finanzieren, zu ihrer Fachgewerkschaft und zum ÖGB abfragen, ihre Kritik ernst nehmen, richtige Konsequenzen ziehen , fordert Vorarlbergs höchster Gewerkschafter. Und freut sich über die Treue hiesiger Mitglieder: Die Austritte im Bundesland sind marginal, da wird abgewartet, was geschieht. Sollte von den Spitzen wieder nur Scheinkosmetik betrieben werden, dann könnte es Austritte hageln , hängt die Zukunft der Gewerkschaftsidee in hohem Maß von Entscheidungen der nächsten Wochen und Monate ab. Genau aus dem Grund will er sich auch auf Bundesebene stärker einbringen, in Wien – mit den Kollegen anderer Bundesländer – künftig mehr mitzureden haben. Ob die Gewerkschaftsspitzen aus dem Beinahe-Super-GAU gelernt haben, könne sich schon in einer Woche weisen: Auf dem Fusionsgewerkschaftstag Metall/Textil mit Agrar/ Nahrung/Genuss in Wien, wo man sehen wird, ob starre Dogmatiker oder der Fairness und Ehrlichkeit verpflichtete Reformer das Geschehen prägen.
ZUR PERSON
Norbert Loacker