Asyl: Regierung einigte sich auch formal auf Stopp von Familiennachzug

Die Regierung hat sich am Mittwoch auch formal auf eine Pause beim Familiennachzug von Flüchtlingen verständigt. "Der politische Wille ist gefasst", meinte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Die Legisten seines Ressorts sollen nun eine entsprechende gesetzliche Regelung schaffen. Dabei soll auch ein Integrationsbarometer erarbeitet werden, das als Basis für die künftige Kontingentierung des Nachzugs dienen soll.
60 Anträge auf Familienzusammenführung
Aktuell ist die Familienzusammenführung gar kein so großes Thema. Laut Karner kamen im Februar nur 60 entsprechende Anträge zusammen. Dies hängt wohl vor allem damit zusammen, dass Anträge von Syrern seit dem Machtwechsel in Damaskus nicht mehr behandelt werden. Karner verweist auf von ihm gesetzte Maßnahmen zur strengeren Prüfung bei der Gewährung des Nachzugs.
Es gab freilich auch andere Zeiten. Im Februar vergangenen Jahres seien es knapp 1.000 Anträge gewesen. Solche Situationen versucht man zu vermeiden. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) argumentierte: "Wenn wir immer darauf warten, dass die Zahlen so hoch sind wie in der Vergangenheit, werden wir nie eine Prophylaxe schaffen."
Laut Ministerratsvortrag erfolgten 2023 immerhin 9.254 Einreisen von Familienangehörigen schutzberechtigter Personen, davon allein 6.443 Minderjährige. Im Vorjahr waren es 7.762 Personen, davon allein 5.331 minderjährige Personen. Besonders auffällig sei der Zuzug von Personen im schulpflichtigen Alter nach Wien. 2023 waren dies 2.206 Minderjährige zwischen sechs und 15 Jahren.
Man habe zwischenzeitlich eine Belastung erreicht, die die Systeme überlastet habe, meinte Stocker. Eine vorübergehende Aussetzung sei deshalb notwendig, um abzusichern, dass die Systeme in ihrer Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt seien. Karner argumentierte mit Problemen in den Bereichen Wohnen, Bildung und Arbeitsmarkt. Auch die Jugend-Kriminalität sprach der Innenminister an. Daher handle es sich heute um einen "enorm wichtigen Beschluss". In der "ZiB 2" des ORF zeigte sich Karner optimistisch, dass das Gesetz rechtlich halten und man gegenüber der Europäischen Kommission gute Argumente für die Maßnahme finden werde. Darüber zu urteilen hätten dann die Gerichte.
Karner sieht "enorm wichtigen Beschluss"
Man habe zwischenzeitlich eine Belastung erreicht, die die Systeme überlastet habe, meinte Stocker. Eine vorübergehende Aussetzung sei deshalb notwendig, um abzusichern, dass die Systeme in ihrer Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt seien. Karner argumentierte mit Problemen in den Bereichen Wohnen, Bildung und Arbeitsmarkt. Auch die Jugend-Kriminalität sprach der Innenminister an. Daher handle es sich heute um einen "enorm wichtigen Beschluss".
Die nun geplanten Schritte seien mit dem bisherigen Koalitionspartner nicht möglich gewesen. Daher setze man sie jetzt, betonte Karner. Zentral ist dabei die Schaffung eines Integrationsbarometers speziell für den Familiennachzug. Dieses solle Basis für die geplante Kontingentierung sein, die dem gänzlichen Stopp dereinst folgen soll. Das Barometer soll die Belastungen auf die einzelnen Systeme (u.a. Inneres, Bildung, Gesundheit, Soziales, Wohnen, Arbeitsmarkt, Wirtschaft sowie demografische Parameter) abbilden.
Konkret soll das Projekt vom Bundeskanzleramt geleitet werden. Daneben sollen die Mitglieder der Bundesregierung dem Innenminister all jene Daten und Unterlagen zur Verfügung stellen, welche die gegebene Situation und mögliche Prognosen in den jeweiligen Systemen widerspiegeln.
Leichtfried unterstützt Beschluss
Auch Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) unterstützte den Beschluss. Ziel der SPÖ im Asylbereich sei Menschlichkeit und Ordnung. Irreguläre Migration sei auf null zu stellen. Mit dem heutigen Beschluss beginne man Lösungen zu finden. Solidarität bei der Bewältigung der Probleme forderte er aber auch von Europa insgesamt ein.
Der von den NEOS gestellte Außenamtsstaatssekretär Josef Schellhorn bekannte sich ebenfalls zum Vorhaben. Jedoch brauche es auch bestmögliche Integration und bestmögliche Deutsch-Förderklassen.
Kritik wurde laut
Außerhalb der Regierung hagelte es hingegen Kritik am Vorhaben. So meinte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in einer Aussendung, das Leid der betroffenen und getrennten Familien sei im Blick zu behalten. Die Einschränkung der Familienzusammenführung würde zudem die Integration der in Österreich lebenden, betroffenen Familienmitglieder erheblich erschweren. Zudem würden legale Fluchtwege weiter beschnitten.
Einen klaren Verstoß gegen das geltende Völkerrecht erkennt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Dass das Vorhaben rechtlich nicht umsetzbar sei, erwartet auch die geschäftsführende Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. Die Bundesregierung setze auf Showpolitik, die sie am Schluss nicht umsetzen könne: "Sie macht keinen Vorschlag, wie Migration und Integration besser organisiert werden können."
Man verwahre sich dagegen, "dass auf Kosten von Frauen rassistische Ressentiments geschürt werden", sagt Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. In sehr vielen Ländern, wo Kriege herrschen, lebten gerade Frauen unter schwierigsten Bedingungen.
Sogar aus den eigenen Reihen schlägt der Regierungspartei SPÖ Widerstand entgegen. Die roten Jugendorganisationen versammelten sich am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt, um gegen den Beschluss zu demonstrieren: "Aus unserer Sicht ist diese Entscheidung eine Anbiederung an rechtsaußen Positionen, wie sie in Österreich vor allem die FPÖ vertritt."
Kickl ortet "Leermeldung"
Ganz anders sehen das jedoch die Freiheitlichen. Deren Obmann Herbert Kickl sah eine "Leermeldung" der Regierung. Nachdem der Innenminister heute von einer Kontingentierung gesprochen habe, sei das eine weitere Bestätigung dafür, dass es die ÖVP mit dem Aussetzen des Familiennachzugs nicht ernst meine: "Das ist ein klassischer doppelter Boden nach dem Geschmack der ÖVP."
Zuspruch bekam die Bundesregierung aus Vorarlberg: Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bezeichnete den Stopp des Familiennachzugs in einer Aussendung als "absolut richtig". Die Kapazitäten bei Bildung, Gesundheit und Sozialem seien begrenzt, Belastungen durch Zuwanderung der letzten Jahre spürbar. "Es ist richtig, dass die Bundesregierung hier reagiert und unter Berücksichtigung von EU-Recht klarer regeln wird, wer zu uns (nach)kommen darf", sagte er.
(APA/Red)