Die verbliebenen ukrainischen Verteidiger des von russischen Truppen eingeschlossenen Stahlwerks in der Hafenstadt Mariupol haben ihre Kapitulation eingestanden.
Verteidiger des Stahlwerks in Mariupol kapitulierten nach Befehl aus Kiew
"Die Armeeführung hat den Befehl gegeben, die Verteidigung der Stadt einzustellen", sagte der Kommandeur des umstrittenen Asow-Nationalgarderegiments, Denys Prokopenko, in einer am Freitag veröffentlichten Videobotschaft. Damit sollten Leben und Gesundheit der Soldaten der Garnison geschützt werden.
Ukrainische Führung sprach bis zuletzt von "Rettungsoperation"
Am Montag hatten sich bereits die ersten 264 Soldaten ergeben, darunter über 50 Schwerverletzte. Nach russischen Angaben sind insgesamt bereits mehr als 1.900 Soldaten in Gefangenschaft gekommen. Die Kommandeure sollen sich aber noch weiter in den Bunkern des Werksgeländes aufhalten. Insgesamt wurde in Moskau zuletzt von rund 2.500 ukrainischen Kämpfern ausgegangen. Die Regierung in Kiew hingegen hatte deren Zahl nur mit 1.000 angegeben.
Bis zuletzt sprach die ukrainische Führung auch von einer "Rettungsoperation" statt einer Kapitulation und stellte einen baldigen Gefangenenaustausch mit Russland in Aussicht. Die Asow-Kämpfer hatten immer wieder um Hilfe von den ukrainischen Streitkräften gebeten.
Kiew ordnete Ende der Verteidigung von Mariupol an
Russland hatte bereits im April nach wochenlanger Belagerung erklärt, die Kontrolle über Mariupol übernommen zu haben. Allerdings hatten sich ukrainische Soldaten im Tunnelsystem unter dem riesigen Industriekomplex von Asow-Stahl verschanzt, wo sie von russischen Truppen weiter belagert wurden.
Diese Woche hatten die dort verbliebenen Kämpfer des Asow-Regiments begonnen, sich zu ergeben. Nach russischen Angaben kamen bis Freitag 1.908 ukrainische Kämpfer aus dem Werk und wurden gefangen genommen.
Ukrainische Regierung hofft auf Gefangenenaustausch
Die ukrainische Regierung hofft auf die Befreiung der Soldaten aus dem Stahlwerk im Rahmen eines Gefangenenaustauschs. Die russischen Behörden haben jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass sie zumindest einen Teil von ihnen nicht als Soldaten, sondern als neonazistische Kämpfer betrachten.
Die vollständige Einnahme Mariupols wäre für Moskau ein strategischer Erfolg. Dem ukrainischen Generalstab zufolge hat der erbitterte Widerstand in der Hafenstadt den Vormarsch der russischen Streitkräfte auf die Großstadt Saporischschja, die sich nach wie vor in ukrainischer Hand befindet, entscheidend verlangsamt.
Selenskyj wirft Russland Beschuss eines Kulturzentrums
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf den russischen Truppen den Beschuss eines Kulturzentrums im Osten vor und griff Moskau dafür scharf an. Bei der Attacke in der Stadt Losowa seien sieben Menschen verletzt worden, darunter ein Kind, erklärte Selenskyj am Freitagabend im Messenger-Dienst Telegram. Das Zentrum in der etwa 150 Kilometer südlich von Charkiw gelegenen Stadt sei erst kürzlich wiedereröffnet worden.
"Die Besatzer haben Kultur, Bildung und Humanität als ihre Feinde gewählt", schrieb Selenskyj. Er bezeichnete die Angriffe als "absolute Boshaftigkeit" und "absolute Dummheit". Dem Kreml wird regelmäßig vorgeworfen, gezielt zivile Gebäude anzugreifen. Dies wird vom Kreml zurückgewiesen.
(APA/Red)