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Arztsohn im Blutrausch: Prozess um Amoklauf

Eine nicht nachvollziehbare Bluttat hatten am Dienstag Geschworene im Wiener Straflandesgericht zu beurteilen. Ein Sohn aus bestem Haus - der Vater ist angesehener Chefarzt - wurde wegen versuchten Doppelmordes zur Verantwortung gezogen.

Der 27-Jährige hatte am 25. Mai 2007 in einem wahren Blutrausch in der Kleistgasse in Wien-Landstraße zwei Bekannte niedergestochen, wobei deren Überleben an ein Wunder grenzt.

Der Angeklagte, der zuletzt in der Privatordination seines Vaters als Arzthelfer angestellt war, hatte den Abend mit Freunden verbracht. Dieser verlief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte: Seine Freundin ging vorzeitig nach Hause. Was genau den 27-Jährigen auf die Idee brachte, in dieser Situation gegen 22.00 Uhr Doriano P. (45) aufzusuchen, blieb in der Verhandlung unklar.

Jedenfalls gab der 27-Jährige vor, seinem entfernten Bekannten, den er Jahre zuvor in einem Lokal kennengelernt und zuletzt Ende 2006 gesehen hatte, 400 Euro zurückgeben zu wollen, die er sich einst ausgeborgt hatte. Doriano P., der vor 20 Jahren von Venedig nach Wien gezogen war und seither in der Gastronomie gut verdient, war darüber erfreut und ließ den 27-Jährigen in seine Wohnung.

Bereits an der Wohnungstür versetzte der Arztsohn dem Italiener mit der Bemerkung “Jetzt zahl ich meine Schulden!” mit einem Klappmesser einen Stich in die Niere. Der 45-Jährige flüchtete auf den Gang, rief um Hilfe und klopfte gegen die Tür der Hausbesorgerin, als er seine in der Wohnung verbliebene Frau angsterfüllt um ihr Leben betteln hörte.

“Nein! Nein! Ich bin schwanger!”, schrie die zierliche, kleingewachsene 21-Jährige. Der Eindringling schlitzte ihr mit seinem Messer regelrecht den Hals auf, beugte sich über die zu Boden Gestürzte und stieß ihr die Klinge noch tiefer in den Hals, als ihr Ehemann wieder in der Wohnung auftauchte, um sie zu retten.

“Mir war eigentlich klar, dass sie tot war”, berichtete der Mann nun im Zeugenstand. Ihm sei es nur mehr darum gegangen, die Aufmerksamkeit des Rasenden auf sich zu lenken, “damit er meine Frau in Ruhe lässt”.

Tatsächlich wandte sich der 27-Jährige wieder dem Wohnungsbesitzer zu, der die Treppen hinab und ins Freie lief. In Folge des Blutverlusts geschwächt, kam der 45-Jährige nicht weit. Auf offener Straße stach der Bewaffnete neuerlich auf den Mann ein, der insgesamt 13 Mal getroffen wurde. “Stirb endlich!”, hörten Passanten den Täter rufen, der seinem Opfer auch mehrere wuchtige Faustschläge ins Gesicht verpasste. Endlich fasste sich ein Zuseher ein Herz und zerrte den Arztsohn vom blutüberströmten Italiener.

Der Schwerverletzte konnte dank rascher ärztlicher Hilfe und einer Notoperation ebenso gerettet werden wie seine Frau, der der Angreifer die Halsarterien und -venen durchtrennt hatte.

In seiner Verhandlung gab sich der in feinstes Zwirn gekleidete und auf brav gekämmte Angeklagte nun betont anständig und zivilisiert. Er wisse nicht, warum er “das” gemacht habe: “Ich bin nicht der Mensch, der das getan hat! Ich checke das nicht! Ich kann nicht beschreiben, wie das passiert ist.” Er habe “keinen Zorn auf diese Menschen” gehabt: “Ich hatte kein Motiv.”

Als er sich bei Doriano P. entschuldigen wollte – dieser war im Unterschied zu seiner Frau bereit, in Gegenwart des Angeklagten auszusagen -, ließ dieser das nicht gelten: “Ich bin um mein Leben gelaufen!” Und der 45-Jährige machte klar, was er vom im Publikum sitzenden Vater des 27-Jährigen hielt: “Dass wir von dieser Seite nicht kontaktiert worden sind und sich der Vater nicht bei uns gemeldet hat, das ist eine Schande! In Italien wäre so etwas nicht möglich!”

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