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Arthur Miller: Ende seiner Reise

Der weltberühmte Dramatiker Arthur Miller ist am Donnerstagabend in seinem Wohnort Roxbury im US-Bundesstaat Connecticut im Alter von 89 Jahren an Herzversagen gestorben.

Der Dramatiker, der an einer Krebserkrankung und einer Lungenentzündung litt, starb im Kreise seiner Familie. Mit seinen sozial- und zeitkritischen Dramen wie „Alle meine Söhne“ (1947), „Der Tod eines Handlungsreisenden“ (1949) oder „Hexenjagd“ (1953) wendete sich Miller gegen den so genannten „American Way of Life“. Er galt als das „Gewissen Amerikas“ und sorgte als Ehemann von Marilyn Monroe für Schlagzeilen.

Millers Kinder, Enkelkinder und seine Lebensgefährtin, die Künstlerin Agnes Barley, hatten seit Tagen am Krankenbett des todkranken Schriftstellers gewacht, sagte Millers Schwester, die Schauspielerin Joan Copeland. Die Krebserkrankung sei vor einigen Monaten diagnostiziert worden. Vor wenigen Wochen sei ihr Bruder aus der New Yorker Spezialklinik Memorial Sloan Kettering entlassen worden und zu ihr gezogen. „Er war sein ganzes Leben lang ein mutiger Mann, und er hat einige Zeit gehofft, gegen die Krankheit ankämpfen zu können.“ Am Dienstag hatte sich Miller auf seine Farm in Roxbury verlegen lassen, die er 1958 gemeinsam mit Marilyn Monroe gekauft hatte.

Der Familie Millers war vor dem ersten Weltkrieg aus Österreich eingewandert, Miller selbst kam am 17. Oktober 1915 in New York zur Welt. Nachdem sein Vater in der Wirtschaftskrise verarmte, musste Arthur Miller für sein Studium der Publizistik, Literatur und der englischen Sprache an der University of Michigan unter anderem als Hafen-, Landarbeiter und in einer Autofabrik arbeiten. Ab 1938 schlug sich Miller als freier Schriftsteller in New York durch und lernte am „Dramatic Workshop“ bei dem deutschen Regisseur Erwin Piscator.

Bereits mit sein frühes Stück „All my sons“ (dt. „Alle meine Söhne“), uraufgeführt 1947, wurde von den New Yorker Kritikern zum besten Stück der Saison gewählt. Die Verarbeitung seiner eigenen sozialen Erfahrungen in „Death of a Salesman“ (dt. „Tod eines Handlungsreisenden“) von 1949 wurde ein Welterfolg. Mit der Dramatisierung der Salemer Hexenprozesse von 1692 „The Crucible“ (dt. „Hexenjagd“) griff Miller 1953 indirekt den grassierenden McCarthyismus an. Miller selbst wurde vor den „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ geladen und 1957 zu einem Monat Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Miller erreichte aber in der Berufung 1958 einen Freispruch.

Bereits 1956 hatte seine Heirat mit der Schauspielerin Marilyn Monroe für Schlagzeilen gesorgt. Miller beschrieb sie einmal als „höchst selbstzerstörerisch“. Während ihrer Ehe, die er später in dem Stück „After the fall“ (dt. „Nach dem Sündenfall“) verarbeitete, habe er seine ganze Energie und Aufmerksamkeit darauf konzentriert, ihr bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. „Unglücklicherweise hatte ich nicht viel Glück.“ Wesentlich glücklicher verlief seine Ehe mit der österreichischen Fotografin Inge Morath, die er bei den Dreharbeiten zu „Misfits“ kennen gelernt hatte. Die Ehe dauerte vier Jahrzehnte bis zum Tod seiner Frau im Jahr 2002.

Reaktionen

Künstlerkollegen und Theaterkritiker haben den gestorbenen US-Dramatiker Arthur Miller am Samstag als Giganten des zeitgenössischen Theaters und Gewissen Amerikas gewürdigt. In internationalen Feuilletons wurde auch seine Ehe mit Marilyn Monroe hervorgehoben. Der Schriftsteller, der bereits 1949 mit seinem Stück „Tod eines Handlungsreisenden“ weltbekannt wurde, starb am Donnerstagabend (Ortszeit) 89-jährig in seinem Wohnort Roxbury im US-Bundesstaat Connecticut.

Der seit langem krebskranke Miller erlag den Folgen einer Herzschwäche, wie seine Assistentin Julia Bolus am Freitag bekannt gab. Die „New York Times“ nannte Miller in einem Nachruf den „Hünen des amerikanischen Theaters“.

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte, für Miller sei „die ganze Welt eine Bühne gewesen“. Er habe „einen untrüglichen Blick für aktuelle und brisante Geschichten“ gehabt. Der Dramatiker „schrieb für Zuschauer und Schauspieler, nicht für Kritiker. Aber diese stimmten ihm begeistert zu“, sagte Reich-Ranicki.

Der britische Autor Harold Pinter (74) würdigte Miller als „einen der größten Dramatiker“ des vergangenen Jahrhunderts. „Seine Theaterstücke gehören zu den besten des 20. Jahrhunderts“, sagte Pinter dem britischen Sender BBC. Der tschechische Schriftsteller und langjährige Staatspräsident Vaclav Havel sagte: „Ich habe Arthur Miller sehr geschätzt. Sein Tod ist ein großer Verlust für die Weltliteratur.“

„Der Dramaturg Arthur Miller, ein Gigant des Gegenwartstheaters und ein Gewissen des 20. Jahrhunderts, bleibt auch im Gedächtnis als Gatte der Kino-Ikone Marilyn Monroe“, hieß es im französischen Blatt „L’Express“. Italiens „La Stampa“ schrieb: „Mit Arthur Miller geht der letzte der amerikanischen Giganten, die uns einst in Träume versetzen konnten – Menschen wie Abraham Lincoln, Gary Cooper, Gregory Peck – hoch gewachsene Männer, stark, schweigsam, asketisch, aufrichtig.“

Der Wiener Theaterregisseur Philipp Preuss nannte Miller einen Dramatiker mit sezierendem Blick. „Miller hat den American Dream als Albtraum entlarvt“, sagte Preuss, dessen Inszenierung des „Handlungsreisenden“ derzeit im Schauspielhaus Dortmund läuft. Volker Schlöndorff, der das Drama mit Dustin Hoffman in der Titelrolle verfilmt hatte (1985), sagte der Tageszeitung „Die Welt“ (Samstagausgabe): „Für mich war Miller von allen alten Männern der Größte, und das sowohl in Zentimetern als auch moralisch. Er war überhaupt nicht dogmatisch und bis zum Ende involviert.“

Miller arbeitete bis kurz vor seinem Tod noch an neuen Texten, bestätigte am Freitag die Redaktion des Literaturmagazins „South-West Review“. Zugleich kündigte die Zeitschrift, die von der Southern Methodist University in Dallas (Texas) herausgegeben wird, die Veröffentlichung der möglicherweise letzten Kurzgeschichte Millers an. Die Publizierung der Story „The Turpentine Still“ sei bereits seit einiger Zeit für die nächste Ausgabe der „South-West Review“ geplant gewesen. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der auf Haiti die Bekanntschaft eines kurz vor dem Tod stehenden Auswanderers macht und dadurch veranlasst wird, auf sein eigenes Leben zurückzublicken.

Von Millers Schaffenskraft bis ins hohe Alter und zugleich von seiner gedanklichen Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod zeugt eine ebenfalls neue Kurzgeschichte, die das Magazin „Harper’s“ kürzlich in seiner Februar-Ausgabe veröffentlichte. In „Beavers“ geht es um einen Mann, der sich durch das Nachdenken über die Jagd und Tötung von Bibern seiner eigenen Sterblichkeit bewusst wird.

Nach Angaben aus Branchenkreisen war Miller noch mit mehreren Projekten beschäftigt. Dazu gehörte die Durchsicht und Zusammenstellung von Tagebuchaufzeichnungen für eine neue Anthologie. Zudem befasste sich der 89-Jährige mit einer neuen Londoner Inszenierung seines Welterfolgs „Tod eines Handlungsreisenden“.

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