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Arbeitslosigkeit in Österreich erstmals wieder gestiegen

Es ist der erste Arbeitslosenanstieg seit zwei Jahren.
Es ist der erste Arbeitslosenanstieg seit zwei Jahren. ©APA
Im April ist die Arbeitslosigkeit das erste Mal seit zwei Jahren wieder gestiegen. Insgesamt waren 331.156 Personen ohne Job.

Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer lag Ende April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,2 Prozent höher. 331.156 Personen waren arbeitslos gemeldet oder in Schulung, das sind um 3.848 mehr als vor einem Jahr. Der leichte Anstieg war von Experten erwartet worden. Erstmals wurden auch Ukraine-Vertriebene in der Arbeitslosenstatistik erfasst.

Die Arbeitslosigkeit sei "trotz vieler Krisen auf einem sehr niedrigen Niveau", kommentierte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag in einer Aussendung die aktuellen Arbeitsmarktdaten. Die Konjunkturabschwächung sei schon im Bauwesen, im Tourismus und auch bei den offenen Stellen sichtbar, sagte der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf.

Erster Arbeitslosenanstieg seit zwei Jahren gemeldet

Ukraine-Vertriebene werden laut Kocher mit dem nun völlig freien Arbeitsmarktzugang Schritt für Schritt in der regulären Arbeitsmarktstatistik erfasst. Nach Angaben von AMS-Vorstand Kopf sind etwa 2.900 aus der Ukraine vertriebene Personen seit nicht ganz zwei Wochen auch als arbeitslos oder in Schulung beim AMS registriert. Weitere rund 4.000 Ukrainer hätten in den nächsten Wochen einen Termin beim AMS, bei dem sie auch als arbeitslos und für eine Betreuung und Vermittlung vorgemerkt werden.

Die Arbeitslosenquote lag Ende April unverändert bei 6,2 Prozent. Die Seitwärtsbewegung bei der Arbeitslosenrate sei "vor allem auf den Beschäftigungsanstieg zurückzuführen", so Arbeitsminister Kocher. Mit 3.928.000 Beschäftigten waren um 55.000 Personen mehr in Beschäftigung als noch vor einem Jahr.

Deutlicher Rückgang bei offenen Stellen im April

Die Konjunktureintrübung in Österreich macht sich auch am Stellenmarkt sichtbar. Beim AMS waren Ende April über 115.000 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet, ein Minus von rund 11 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Nach Branchen betrachtet gab es mehr Arbeitslose und Schulungsteilnehmer am Bau sowie in der Beherbergung und Gastronomie (jeweils +4,6 Prozent), im Gesundheitswesen (+3 Prozent) und im Bereich Verkehr und Lagerwesen (+ 2,1 Prozent). Rückläufig war die Arbeitslosigkeit bei der Arbeitskräfteüberlassung (-8 Prozent), im Handel (-2,8 Prozent) und in der Warenerzeugung (-1,1 Prozent).

Arbeitslosigkeit in Wien um 0,8 Prozent gestiegen

Im Bundesländervergleich gab es Ende April den stärksten Anstieg bei den Arbeitslosen und Schulungsteilnehmern in Salzburg (+8 Prozent), gefolgt von Vorarlberg (+5,5 Prozent), Steiermark (+3 Prozent), Tirol (+1,8 Prozent), Oberösterreich (+1,3 Prozent) und Wien (+0,8 Prozent). Unverändert waren die Zahlen in Kärnten. Einen Rückgang gab es im Burgenland (-1,1 Prozent) und in Niederösterreich (-1,7 Prozent).

Der stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit inklusive Schulungsteilnehmer wurde bei Ausländern (+9 Prozent), Personen mit akademischer Ausbildung (+6,9 Prozent) und Jugendlichen unter 25 Jahren (+5,2 Prozent) verzeichnet. Deutlich rückläufige Zahlen gab es hingegen noch bei den über-50-Jährigen (-4,9 Prozent) und bei Inländern (-3,7 Prozent).

IV und WKÖ kritisieren enormen Fachkräftemangel in Österreich

Die Industriellenvereinigung (IV) sieht weiterhin "einen enormen Arbeits- und Fachkräftemangel". Es brauche "dringend positive Leistungsanreize, um alle Potenziale zur Bekämpfung des Personalmangels zu heben", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) ortet bei der Regierung ein Problembewusstsein für das Thema Arbeitskräftemangel, aber noch viel Handlungsbedarf. "Alle Lösungen sind noch nicht am Tisch", sagte WKÖ-Arbeitsmarktexperte Rudolf Gleißner zur APA. Beim Kampf gegen den Arbeitskräftemangel gehe es vor allem um das Ausschöpfen des Inlandspotenzials (u. a. Frauen, Ältere), Arbeiten bis zur Regelpension und das Anwerben von Arbeitskräften aus dem EU- und Nicht-EU-Ausland.

FPÖ forderte restriktiveren Arbeitsmarktzugang für Ausländer

Der deutliche Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit ist für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch "ein echtes Problem". Die steigenden Arbeitslosenzahlen "seien demnach auch Ausdruck des Regierungsversagens im Bereich des Arbeitsmarkts". Die FPÖ forderte einen restriktiveren Arbeitsmarktzugang für Ausländer von außerhalb der EU. "Die aktuellen AMS-Zahlen sowie die Zahlen des ÖIF belegen wieder einmal, dass die unkontrollierte Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt, propagiert von ÖVP samt Grünen, SPÖ und NEOS, nur ein Schmäh auf Kosten des österreichischen Sozialsystems ist und sich zu Lasten des Arbeitsmarktes auswirkt", sagte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Inflationsanpassung auch bei Arbeitslosengeld gewünscht

Die Arbeiterkammer forderte erneut angesichts der hohen Inflation eine Anhebung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Familienzuschlag. Alle anderen Sozialleistungen werden ab 2023 jährlich an die Teuerung angepasst. "Arbeitslose Menschen haben keine nachhaltigen Verbesserungen bei den Leistungen erhalten, die Einmalzahlungen verpuffen schnell", kritisierte AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Die Arbeitsmarkt-Expertin der Arbeiterkammer Wien, Silvia Hofbauer, sieht dringenden Handlungsbedarf beim Ausbau der Kinderbetreuung, damit Frauen mehr Chancen am Arbeitsmarkt haben. Weitere wichtige Themen seien unter anderem die Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie die kompetenzorientierte Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice, so Hofbauer zur APA.

Für die leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl führt angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen "kein Weg an Joboffensive in vielen Bereichen vorbei". Es gehe jetzt darum, "die Arbeitslosen von heute zu den Fachkräften von morgen zu machen". "Da braucht es aber nicht nur im Gesundheits- und Pflegebereich eine Ausbildungsoffensive", forderte Reischl.

(APA/Red)

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