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Notstandshilfe: Bezieher zum großen Teil Österreicher

Die Regierung plant, das Arbeitslosengeld zu reformieren.
Die Regierung plant, das Arbeitslosengeld zu reformieren. ©APA (Sujet)
Laut einem AMS-Bericht bezogen im Jahr 2017 mehr als die Hälfte der Arbeitslosen Notstandshilfe. Fast 80 Prozent der Bezieher sind dabei österreichische Staatsbürger.
Bekommen Arbeitslose kein Geld mehr?

Die Abschaffung der Notstandshilfe wird mehr als die Hälfte der Arbeitslosen betreffen. Wie aus dem Geschäftsbericht des Arbeitsmarktservices (AMS) hervorgeht, bezogen 2017 im Schnitt 53 Prozent der Arbeitslosen Notstandshilfe und waren damit langzeitarbeitslos.

In Zahlen sieht das folgendermaßen aus: 157.483 Menschen bezogen im Schnitt 2017 Notstandshilfe, 138.015 bekamen Arbeitslosengeld. 95.000 bzw. 60 Prozent der Notstandshilfebezieher waren Männer, 62.500 Frauen. Fast 80 Prozent sind österreichische Staatsbürger. Die Ausgaben für die Notstandshilfe 2017 beliefen sich auf 1,56 Mrd. Euro, jene für das Arbeitslosengeld auf 1,86 Mrd. Euro.

Regierung plant Reform bei Arbeitslosengeld

Die Regierung plant ja laut ihrem Programm, das Arbeitslosengeld zu reformieren und dabei die Notstandshilfe abzuschaffen. Die geplante Reform sieht vor, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei langer Versicherungszeit verlängert wird und die Nettoersatzrate zu Beginn höher sein soll. Wenn man länger arbeitslos ist, fällt man nicht wie bisher in die Notstandshilfe, sondern kann nur mehr die Mindestsicherung beantragen.

Bezieher von ArbeitslosenunterstŸtzung
Bezieher von ArbeitslosenunterstŸtzung

Am Wochenende sind Zahlen aus einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) publik geworden, das vom Sozialministerium beauftragt wurde, die Auswirkungen der geplanten Reform durchzurechnen. Das Wifo betonte, dass es sich bei den Zahlen um keine Endergebnisse handle und mehrere Szenarien analysiert würden.

Ein Szenario besagt jedenfalls, dass im Falle der Abschaffung der Notstandshilfe 121.000 Arbeitslose keine Leistungen mehr erhalten würden. 37.000 Menschen davon sollen behinderte Arbeitslose sein, 6.000 Jugendliche und 61.000 Personen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben.

Ministerin Hartinger: “Bleibt als Versicherungsleistung”

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hat am Montag seitens der FPÖ einmal mehr untermauert, dass die Notstandshilfe nicht komplett abgeschafft wird: “Die FPÖ und ich garantieren, dass die Notstandshilfe als Versicherungsleistung bleiben wird”, so Hartinger-Klein. Seitens der ÖVP wollte man sich inhaltlich nicht äußern und verwies auf die laufenden Verhandlungen zur Reform des Arbeitslosengeldes.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass das Sozialministerium beim Wirtschaftsforschungsinstitut eine Studie in Auftrag gegeben hat, die die Auswirkungen einer Reform der Notstandshilfe zum Thema hat. Das Wifo bestätigte die Existenz der Studie, wies aber darauf hin, dass noch kein Endergebnis vorliegt. In der Studie würden mehrere Szenarien analysiert, um die Wirkungsweisen unterschiedlicher Varianten zu prüfen. Die Abschaffung der Notstandshilfe sei “keine durchgängige Vorgabe des Auftraggebers” gewesen, hieß es seitens des Wifo.

Sozialministerin über Abschaffungs-Gerüchte “verärgert”

Hartinger-Klein wehrte sich am Montag einmal mehr gegen die Darstellung, die Notstandshilfe werde abgeschafft und zeigte sich über die Berichte “verärgert”: “Wie das WIFO gestern schon klargestellt hat, gibt es noch keine fertige Studie zur Notstandshilfe. Ich finde es mehr als befremdlich, dass SPÖ mit den Nöten der Bevölkerung spielt und hier eine ganz gezielte Verunsicherung betreibt”, sprach sie auch die Kritik der Opposition an.

Keinen inhaltlichen Kommentar gab es zu der Thematik vorerst seitens der ÖVP. In der Partei wie auch im Parlamentsklub verwies man lediglich auf die laufenden Verhandlungen mit der FPÖ zur Reform des Arbeitslosengeldes. Basis dafür bilde das Regierungsprogramm, so ein Sprecher.

Hartinger-Kleins Garantie für SPÖ “wenig glaubhaft”

Die SPÖ hält die “Garantie” von Sozialministerin Hartinger-Klein, wonach die Notstandshilfe als Versicherungsleistung erhalten bleibt, für “wenig glaubhaft”. SP-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda verwies auf das Regierungsprogramm, dort sei ausdrücklich festgehalten, dass die Notstandhilfe abgeschafft wird. Er fordert nun eine Stellungnahme der Regierungskoordinatoren von ÖVP und FPÖ.

“Ich würde es mir im Sinne der Menschen und des sozialen Zusammenhalts wünschen, wenn es stimmen würde, dass es zu keinen Enteignungen kommt”, sagte Drozda in einer Aussendung. Allerdings sei Hartinger-Kleins “Garantie” “wenig glaubhaft”. “Denn im ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm ist auf Seite 143 ausdrücklich festgehalten, dass die Notstandshilfe abgeschafft werden soll”, so Drozda.

Der Bundesgeschäftsführer verwies darüber hinaus auf Aussagen der Ministerin in der Vergangenheit: So hatte diese auf die Frage, ob die Abschaffung der Notstandshilfe ihr Ziel sei, in einem “profil”-Interview im April gesagt: “Das ist Vorgabe des Regierungsprogramms”. Außerdem stelle sich die Frage, ob Hartinger-Klein in Sachen Arbeitslosengeld noch zuständig ist, so Drozda. “Denn bekanntlich wurde die Sozialministerin von (Bundeskanzler Sebastian/ÖVP, Anm.) Kurz schon im Jänner zurückgepfiffen und die Ausarbeitung des ‘Arbeitslosengelds neu’ in die Hände der Regierungskoordinatoren gelegt.”

Daher verlangt Drozda nun eine Stellungnahme der Regierungskoordinatoren, Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), eine solche sei “überfällig”. Der heutige Verweis der ÖVP auf “laufende Verhandlungen” und darauf, dass dafür das Regierungsprogramm Basis sei, wertet Drozda als “nächste Bestätigung der Abschaffungspläne”. Denn im Regierungsprogramm hätten sich ÖVP und FPÖ “auf ein Aus der Versicherungsleistung Notstandshilfe geeinigt”.

Regierungspläne zum “Arbeitslosengeld Neu”

Im Regierungsprogramm der türkis-blauen Koalition ist im Kapitel “Arbeit” eine “Harmonisierung, Neuausrichtung und Weiterentwicklung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Bedarfsorientierter Mindestsicherung” vorgesehen. Dazu soll ein “Arbeitslosengeld NEU” geschaffen werden, mit einer “degressiven Gestaltung der Leistungshöhe mit klarem zeitlichen Verlauf und Integration der Notstandshilfe”. Das heißt, je länger man das Arbeitslosengeld bezieht, umso niedriger wird es. Die Notstandshilfe soll in diesem neuen Arbeitslosengeld aufgehen – was wohl deren Abschaffung bedeuten würde.

Hartinger-Klein hatte bei diesem Thema von Anfang an Bedenken. Schon im Jänner dieses Jahres erklärte sie, dass Langzeitarbeitslose nicht in die Mindestsicherung fallen werden. “Das deutsche Hartz IV-Modell wird es mit mir als Sozialministerin nicht geben”, sagte sie am 3. Jänner. Nur zwei Tage später ruderte die Ressortchefin dann nach einer Zurechtweisung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zurück: “Das ‘Arbeitslosengeld neu’ soll die Notstandshilfe ablösen. Was wir noch finden müssen, ist eine Lösung, ob es sich um Arbeitslosen- oder Mindestsicherungsgeld handelt”, sagte sie damals.

Und genau um diese Frage dreht sich die aktuellen Diskussion: Denn würden Langzeitarbeitslose aus der Notstandshilfe herausfallen, bleibe ihnen nur mehr der Antrag der Mindestsicherung. In diesem Fall wird auf das Vermögen zugegriffen. Die FPÖ wehrt sich seit Tagen gegen diesen Eindruck, in der ÖVP gibt man sich zu diesem Thema äußerst zugeknüpft. ÖVP-Klubobmann August Wöginger wollte allerdings – etwa in einem Gespräch mit den “Oberösterreichischen Nachrichten” vom Jänner dieses Jahres – nicht ausschließen, dass es zu einem Vermögenszugriff kommen könnte.

Die derzeitige Regelung sieht vor, dass jemand, der arbeitslos wird, rund ein Jahr lang (je nach vorgehender Beschäftigungsdauer variierend) Arbeitslosengeld erhält, die Höhe beträgt 55 Prozent der Nettoersatzrate. Danach bezieht man unbefristet die Notstandshilfe (grundsätzlich 92 Prozent des jeweiligen Arbeitslosengeld-Grundbetrages). Hat jemand keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung erworben, kann er Mindestsicherung beantragen. Allerdings ist hier ein Zugriff auf das Vermögen des Betroffenen vorgesehen – ausgenommen davon sind nur Wohnung und Auto (wenn ein beruflicher Bedarf gegeben ist) sowie ein Vermögen von rund 4.200 Euro.

Nettoersatzrate sol auf 65 Prozent angehoben werden

Nach Informationen der APA soll beim “Arbeitslosengeld Neu” der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei langer Versicherungszeit auf zwei Jahre ausgedehnt werden. Die Nettoersatzrate soll bei langer Versicherungsdauer für die ersten Monate 65 Prozent statt wie bisher 55 Prozent betragen. Außerdem sollen Krankenstände auf die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges angerechnet werden, wenn der Krankenstand nicht mit einem stationären Aufenthalt verbunden ist. Nach zwei Jahren soll die Versicherungsleistung generell enden.

Eine Ausnahme gibt es nur für Arbeitslose, die älter als 50 sind und 180 Beitragsmonate haben, also mindestens 15 Jahre gearbeitet haben. Diese Gruppe soll das Arbeitslosengeld unbegrenzt bekommen, wobei die Nettoersatzrate bei langer Bezugsdauer auf 50 Prozent sinkt. Jüngere sollen nach maximal zwei Jahren Arbeitslosengeld Neu den Anspruch auf die Versicherungsleistung verlieren und nur noch Mindestsicherung beantragen können.

Für die generell maximale Bezugsdauer von zwei Jahren soll man laut den APA-Vorliegenden Berechnungen mindestens 120 Beitragsmonate (zehn Jahre) brauchen. Wer weniger als ein Jahr gearbeitet hat, hat wie jetzt in der Regel keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Bei zwölf bis 24 Beitragsmonaten beträgt die Bezugsdauer sechs Monate. Ab zwei Jahren Beschäftigung steigt der Anspruch auf zwölf Monate. Wer zwischen 60 und 120 Monate beschäftigt war, hat einen Anspruch auf 18 Monate Arbeitslosengeld.

(APA/Red)

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