Arbeit schaffen statt Sackgasse finanzieren

Wer länger als ein Jahr einen Job sucht, hatte schon vor Corona schlechte Karten. Jetzt gehen die Chancen gegen null. Geringe Qualifikation, gesundheitliche Probleme und hohes Alter sind die Hürden. Mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen ist über 45 Jahre alt. Besonders heftig wirkt Langzeitbeschäftigungslosigkeit bei den Unter-25-Jährigen. Sie haben ihr Leben lang ein höheres Risiko, ihren Job zu verlieren.
Sascha Sallmayer und Julian Gandolf zählten beinahe auch dazu. Der 19-jährige Bregenzer hatte nach der Hauptschule „keine Ahnung, was tun“, der 17 Jahre alte Lustenauer schmiss die Schule hin und war dann arbeitslos. Ein halbes Jahr lang. War das chillig? Gandolf schüttelt den Kopf: „Höchstens am Anfang. Aber dann war‘s nur noch ein Dahinvegetieren.“
Heute machen Sascha und Julian machen eine Lehre, der eine wird Tischler, der andere Maler. Das klappt im Ausbildungszentrum Vorarlberg (AZV), wo Menschen wie Christin Zocher die Jugendlichen pädagogisch begleiten. „Ein Päckchen zu tragen haben sie alle. Bei uns entwickeln sie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“
Darum geht es: Um Zutrauen, Wertschätzung. Mehr als 3100 Frauen und Männer in Vorarlberg vermissen das über ein Jahr lang schon. Und die Nachrichten verheißen keine Besserung. Auf eine offene Stelle kommen derzeit fast zehn Arbeitslose. Da ist guter Rat teuer.
Chancen für 100.000
Würden freilich die Mittel, die bisher für die Finanzierung von Langzeitarbeitslosigkeit ausgegeben werden, um eine Milliarde Euro aufgestockt, könnten damit mehr als 100.000 produktive Jobs im öffentlichen Bereich entstehen. „Es ließen sich gezielt jene öffentlichen Dienstleistungen forcieren, die wir in Zukunft dringend brauchen. Vor allem in der Pflege besteht ein riesiger Bedarf“, so Hämmerle. Möglich wären auch administrative Dienste in Schulen, im Energiesparbereich, bei der Bekämpfung der Klimakrise usw. Es sollen in all diesen Bereichen nur Jobs geschaffen werden, die nicht ohnehin entstanden wären.
Warum die Bundesregierung ein solches Beschäftigungsprogramm nicht längst gestartet hat, ist unverständlich. „Ein Heer von Chancenlosen können wir uns als Gesellschaft nicht leisten. Zu hoch wäre der Preis – menschlich wie wirtschaftlich“, ist Präsident Hämmerle überzeugt und sieht den neuen Arbeitsminister Martin Kocher in der Pflicht, allen Arbeitslosen eine Perspektive auf ihr Recht auf Arbeit zu gewährleisten! Gebraucht würden im Ländle rund 1000 Arbeitsplätze, die dauerhafte Beschäftigung garantieren, bei älteren Langzeitarbeitslosen auch bis zum Pensionsantritt.
Die höheren Kosten durch eine staatlich finanzierte Beschäftigung sind überschaubar. Schließlich sparte sich die öffentliche Hand Notstandshilfe. Die Einkommen der Betroffenen drückten sich auch in erhöhten Konsumausgaben und Sozialversicherungsbeiträgen aus. AMS-Geschäftsführer Bernhard Bereuter kann mit all dem viel beginnen und will rasch in Gespräche eintreten am Beispiel des niederösterreichischen Modellprojekts Marienthal, das den Langzeitarbeitslosen von Gramatneusiedl seit Oktober 2020 eine Jobgarantie verspricht.
Eckpunkte eines Vorarlberger Pilotprojekts „ChancenMarkt“
- Gründung eines Betriebes für vorerst 100 Dauerarbeitsplätze
- Zugang für jene Personen, die nach einem Jahr in einem sozialökonomischen Betrieb immer noch keinen Arbeitsplatz haben und älter als 40 Jahre sind
- Die Notstandshilfe oder die Mindestsicherung werden dem Betrieb als Grundsubvention zur Verfügung gestellt.
- Die zugewiesenen Mitarbeiter werden nach Kollektivvertrag entlohnt und zahlen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.
- Der Betrieb muss keine Vermittlungstätigkeit, Umschulung oder Sozialbetreuung anbieten – im Vordergrund steht die Chance zu einer sinnerfüllenden Arbeit.
- Der Betrieb bietet Tätigkeitsfelder an, die am Markt vorhandene private Betriebe nicht abdecken, und/oder übernimmt Aufgaben, die von heimischen Firmen ins Ausland verlagert werden.
- Die Dauer der Beschäftigung ist nicht limitiert, was vor allem für Menschen wenige Jahre vor dem möglichen Pensionsantritt besonders wichtig ist.
Die AK Vorarlberg hat die aktuelle Situation westlich des Arlberg genau analysiert. Umfangreiche Infos zur Langzeitarbeitslosigkeit in Vorarlberg findet Ihr hier.

