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Arafat: Weiter Rätsel um Erkrankung

Die Erkrankung von Palästinenser-Präsident Yasser Arafat gibt weiter Rätsel auf. Ersten Testergebnissen zufolge leidet der 75-Jährige nicht an Blutkrebs.

„Arafat hat keine Leukämie“, sagte Mohamed Rashid, der Finanzexperte des Chefs der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), am Samstagabend in Paris. „Die Ärzte haben dies ausgeschlossen.“ Arafat werde nun auf eine Virusinfektion oder eine Vergiftung untersucht, sagte ein Vertrauter des Präsidenten. Der palästinensische Präsident war am Freitag zur medizinischen Behandlung von Ramallah nach Frankreich geflogen worden. Wie aus palästinensischen Kreisen verlautete, wurde er im Militärkrankenhaus Percy südwestlich von Paris von Leukämie-Spezialisten untersucht.

Die palästinensische Gesandte Leila Chahid erklärte am Samstag, Arafats Zustand habe sich seit Freitag verbessert. Kabinettsminister Saeb Erekat kündigte am Sonntag in einem Interview des israelischen Militärradios einen ärztlichen Bericht mit weiteren Testergebnissen innerhalb der nächsten 48 Stunden an.

Die palästinensische Führung ist unterdessen offenbar bemüht, angesichts der Erkrankung Arafats nicht den Eindruck eines Machtvakuums entstehen zu lassen. Der Sicherheitsrat beriet in Arafats Hauptquartier unter Vorsitz von Regierungschef Ahmed Korei über Sicherheitsfragen. Normalerweise sitzt Arafat dem Gremium vor. Bereits am Samstag tagte in Ramallah – erstmals seit Jahrzehnten in Abwesenheit von Arafat – das Exekutivkomitee der PLO. Der kommissarische PLO-Chef und frühere Ministerpräsident Mahmud Abbas rief nach dem Treffen zur „Einheit aller palästinensischen Kräfte“ auf.

Auch das israelische Kabinett befasste sich am Sonntag bei seiner wöchentlichen Kabinettssitzung mit Arafats Erkrankung. Außenminister Silvan Shalom sagte vor der Sitzung, die Streitkräfte würden sich mit Militäroperationen im Westjordanland und im Gaza-Streifen zurückhalten, bis die Führungssituation auf palästinensischer Seite geklärt sei.

Ministerpräsident Ariel Sharon schloss für den Fall von Arafats Tod aus, dass der Palästinenser-Präsident seinem Wunsch entsprechend in Jerusalem begraben wird. Der israelische Regierungschef bekräftigte weiters, dass er seinen umstrittenen Rückzugsplan aus dem Gaza-Streifen wie vorgesehen umsetzen werde. Bildungsministerin Limor Livnat nahm unterdessen ihre aus Protest gegen den Plan geäußerte Rücktrittsdrohung zurück.

Sharon signalisierte zudem Bereitschaft zum Dialog mit einer neuen palästinensischen Führung. Unter bestimmten Bedingungen sei auch die Wiederaufnahme der Verhandlungen über den internationalen Nahost-Friedensplan („Roadmap“) möglich, sagte Sharon im Rundfunk. Falls sich eine „ernsthafte und verantwortungsvolle“ Palästinenserführung herausbilde, seien Verhandlungen mit ihr möglich, betonte der Regierungschef. Die neue Führung müsse aber zunächst „durch Taten“ beweisen, dass sie den „Terrorismus“ bekämpfe.

Zehntausende Menschen gedachten am Samstagabend in Tel Aviv des vor neun Jahren ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin. An der Gedenkkundgebung nahmen auffallend viele junge Menschen teil, die auf Spruchbändern und Plakaten eine Verständigung mit den Palästinensern forderten. Angesichts aktueller Spannungen wegen des geplanten Rückzugs aus dem Gaza-Streifen bewachten mehr als 1.000 Soldaten und Polizisten die Kundgebung.

Der Plan Sharons hat zu scharfen verbalen Attacken seitens der Siedler geführt. Regierungsmitglieder vergleichen die angeheizte Atmosphäre bereits mit der Lage vor dem Mord an Rabin. Ein ultrarechter jüdischer Extremist und Gegner des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses hatte den Politiker der Arbeitspartei am 4. November 1995 erschossen.

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