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Arafat vor dem endgültigen Aus

Seit 20 Monaten wird Yasser Arafat von israelischen Truppen in seinem Amtssitz in Ramallah festgehalten. Nun könnte ihn die Regierung endgültig ins Aus schicken.

Notfalls mit Gewalt will Israels Sicherheitskabinett bei passender Gelegenheit eine Ausweisung des Palästinenserführers von der Armee durchsetzen lassen – ein weiterer Tiefpunkt in der an Tiefpunkten nicht armen Karriere des Palästinenserchefs. Doch mit seinem ausgeprägten Machtinstinkt hat der 1929 geborene Arafat schon so manchen Rückschlag unbeschadet überstanden.

Seit über 40 Jahren kämpft Arafat an vorderster Front für einen palästinensischen Staat, erst als Guerillaführer, dann als Politiker. 1959 gründete er die Fatah-Organisation, die sich den bewaffneten Kampf gegen Israel auf die Fahnen schrieb. Zehn Jahre später ließ er sich an die Spitze der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) wählen. Seitdem wandelte er sich vom geächteten „Terroristen“, der die UNO-Vollversammlung 1974 mit umgeschnalltem Pistolenhalfter schockierte, zum international anerkannten und mit dem Friedensnobelpreis geadelten Präsidenten der Palästinenser.

Die Macht hat Arafat nicht mehr abgegeben, zuletzt aber teilen müssen. Unter großem internationalen Druck stimmte Arafat im Februar dieses Jahres der erstmaligen Berufung eines palästinensischen Ministerpräsidenten zu. Mahmud Abbas übernahm im April das Amt, reichte aber nach monatelangem Machtkampf mit Arafat vergangene Woche seinen Rücktritt ein. Arafat wollte die Kontrolle über die Sicherheitsdienste nicht aufgeben. Als Abbas’ Nachfolger holte sich Arafat seinen Weggefährten Ahmed Korei, der für ihn schon mehrfach die Leitung heikler Verhandlungen mit Israel übernommen hatte.

Vor seinem Tod, das hat sich Arafat vorgenommen, will er in Jerusalem beten – der Hauptstadt eines von ihm erträumten unabhängigen Palästinas. Für die Verwirklichung seines Traums setzt Arafat seit Jahrzehnten all seine Energie ein, und ist darüber alt geworden. Seine Kampfkraft ist geschwächt: Sichtbarer Ausdruck seiner Nervenkrankheit ist die zitternde Unterlippe, die inzwischen neben dem Palästinenserkopftuch zu seinem Markenzeichen geworden ist. Doch sein Geist sei ungebrochen, betonen Arafats Helfer.

Von gelegentlichen geistigen Ausfällen berichten Vertraute nur hinter vorgehaltener Hand. Angesichts eines mehr als 40-jährigen Kampfes als Guerillero und Politiker sei eine gewisse Müdigkeit ja wohl normal, wird der „Alte“ allgemein verteidigt. Unbeirrt setzt Arafat seinen väterlichen und autoritären Regierungsstil fort.

Er sei „mit Palästina verheiratet“, pflegte der kleingewachsene Arafat stets zu sagen. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er aber nicht in den palästinensischen Gebieten, sondern im Exil und auf Reisen, in Ägypten, Kuwait, Jordanien, Tunesien und im Libanon.

Arafat, von seinen Anhängern Abu Ammar genannt, hat sein Privatleben immer verschleiert. Nicht einmal die Frage nach seinem richtigen Namen und seinem Geburtsort hat er je klar beantwortet. Am 27. August 1929 als Sohn palästinensischer Eltern als Mohammed Abdal Rauf Arafat el Kudwa el Husseini unterschiedlichen Angaben zufolge in Kairo, Jerusalem oder im Gaza-Streifen geboren, wuchs er in der ägyptischen Hauptstadt auf, wo er auch sein Ingenieursstudium abschloß. in Kairo geboren.

Arafat war 17 Jahre alt, als er einer Palästinensergruppe beitrat und mit der Waffe in der Hand den Kampf begann. Der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky trug in den 70-er und 80-er Jahren dazu bei, dass Arafat in Europa zunehmend ernst genommen wurde.

Sein Wechsel vom bewaffneten Kampf an den Verhandlungstisch brachte Arafat 1994 den Friedensnobelpreis ein. Dort hatte er 1993 in Oslo einen Durchbruch in seinem jahrzehntelangen Kampf für einen Palästinenserstaat erreicht. Erstmals erkannten Israel und die PLO einander an – Grundlage für die späteren Autonomieabkommen. Der weltweit bejubelte Handschlag mit dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin auf dem Rasen des Weißen Hauses ermöglichte Arafat die Rückkehr in die Palästinensergebiete, 1996 wurde er zum Präsidenten der Palästinenser gewählt. Seit 1992 ist er mit seiner Assistentin Suha Tawil verheiratet, die jedoch im Exil lebt. Die beiden haben eine Tochter.

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