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Anstaltsleiter des Jugendgefängnis schlägt Alarm

Symbolfoto |&copy APA
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Immer mehr psychisch auffällige Häftlinge - „Strafvollzug hat Aufgaben übernommen, die früher psychiatrische Kliniken erledigt haben“

Die im Wiener Landesgerichtlichen Gefangenenhaus integrierte Jugendabteilung platzt aus allen Nähten: Waren mit Stichtag 1. September 2003 dort noch 55 bis 60 Jugendliche untergebracht, ist diese Zahl per 1. Mai 2004 auf 120 bis 130 angestiegen. Zusammen mit den so genannten jungen Erwachsenen – Häftlinge zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr – hat die Justizanstalt auf der Jugendabteilung insgesamt rund 250 Insassen zu betreuen. Ein immer größerer Prozentsatz davon legt psychische Auffälligkeiten an den Tag, was den Vollzug nun an den Rand des Machbaren geführt hat, wie Oberst Peter Prechtl am Dienstag bestätigte.

„Der Strafvollzug hat Aufgaben übernommen, die früher psychiatrische Kliniken erledigt haben“, so der Anstaltsleiter. Es wären zwar Maßnahmen ergriffen worden, um diese Entwicklung in den Griff zu bekommen. Prechtl erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem zwei Jugendpsychiaterinnen und den Versuch, eine „engere Betreuung“ zu den Betroffenen aufzubauen: „Wir würden uns aber eine Einrichtung wünschen, wo man die problematischen Fälle besser bewältigen kann. Außerhalb, in einer psychiatrischen Klinik, etwa in einem Pavillon auf der Baumgartner Höhe. Ich kann nicht alles abfangen.“

Zahl der jugendlichen Häftlinge extrem angestiegen

Die Anzahl der psychisch kranken Jugendlichen sei einhergehend mit den Haftzahlen angewachsen, so Prechtl. Er schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der unter 18-Jährigen ein Verhalten an den Tag legen, das therapeutisch oder medikamentös behandelt gehört. Zuletzt musste die Jugendabteilung aus Platzgründen von sechs auf sieben Unterabteilungen vergrößert werden.

Das Justizministerium bestätigt die aktuelle Situation, sieht darin aber keinen Anlass zu Besorgnis. „Es stimmt, es gibt im Landesgericht eine hohe Anzahl von jugendlichen Häftlingen. Das ist bedauerlicherweise extrem gestiegen. Damit steigt linear die Anzahl von psychisch auffälligen Personen“, erklärte der für den Strafvollzug zuständige Sektionschef Michael Neider gegenüber der APA. Man habe aber entsprechend darauf reagiert: „Seit einem Jahr ist zusätzlich eine Jugendpsychiaterin 20 Stunden pro Woche im Einsatz. Die Kapazität wurde wesentlich erhöht.“

Psychiatrische Versorgung in Europa führend

Neider verweist „auf eine Reihe von Maßnahmen“, die durchaus Erfolg gebracht hätten: „Die psychiatrische Versorgung ist in einem Ausmaß gewährleistet, das in Europa führend ist.“

Zum Wunsch des Anstaltsleiters auf externe Unterbringung besonders problematischer Häftlinge stellte Neider fest: „Dort, wo es notwendig ist, wird das geschehen.“ Dies sei auch bisher schon üblich gewesen.

18-Jähriger von Beamten geschlagen

Unterdessen berichtet die Wiener Stadtzeitung „Falter“ in ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe über einen Übergriff auf einen Jugendlichen im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus. Ein damals 18-Jähriger soll demnach von drei Beamten ins Gesicht und auf den Rücken geschlagen worden sein, nachdem er aus seinem Zellenfenster lautstark Richtung Innenhof geschimpft hatte.

Der Anstaltsleiter bestätigte diesen Vorfall, der allerdings ins Jahr 2002 zurückreicht, als es noch den eigenen Jugendgerichtshof in Wien-Erdberg gab und das „Landl“ quasi als Außenstelle nur die jungen Erwachsenen zu “übernehmen“ hatte. „Der angebliche Übergriff wurde angezeigt. Das Verfahren wurde aber eingestellt“, erläuterte Prechtl. Die Staatsanwaltschaft hatte keine ausreichenden Indizien für eine Anklage gegen die Justizwachebeamten gefunden.

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