Die Ressourcen der UNO bei internationalen Einsätzen zur Friedenssicherung seien mit 75.000 Mann in 18 Friedensmissionen bis an die Grenzen beansprucht, warnte Annan am Sonntag bei der Sicherheitskonferenz in München. US-Senatorin Hillary Clinton regte ein NATO-Engagement in der Krisenregion Darfur im Sudan an. Die NATO könnte die Afrikanische Union (AU) in klar definiertem und begrenztem Rahmen unterstützen.
Durch ständig neue Konflikte werde der Bedarf an Friedenseinsätzen die bestehenden Möglichkeiten bald überschreiten, warnte Annan. Derzeit komme nur ein Fünftel der UN-Soldaten aus entwickelten Ländern, kritisierte der UN-Generalsekretär. NATO und EU rief er auf, sich aktiv für ein Ende der Gräueltaten in Darfur einzusetzen. NATO und EU müssten ernsthaft darüber nachdenken, wie sie in Darfur praktisch zur Beendigung der Tragödie beitragen könnten. Dort sterben Tag für Tag Menschen, weil wir sie nicht beschützen. Nach UNO-Schätzungen wurden bereits 70.000 Menschen getötet und 1,5 Millionen in die Flucht getrieben. Die UNO stuft den Konflikt als die derzeit schlimmste humanitäre Krise weltweit ein.
Annan mahnte, die Weltgemeinschaft müsse kollektive Institutionen schaffen, um in zerrütteten Ländern dauerhaften Frieden zu schaffen. In diesem Punkt habe die UNO eine gemischte Erfolgsbilanz. In vielen Bürgerkriegsländern flammten die Konflikte nach einer Friedenslösung binnen fünf Jahren wieder auf. In seinem Bericht zur Reform der Vereinten Nationen werde er im kommenden Monat die Schaffung einer Kommission zur Friedensstabilisierung empfehlen, die alle Anstrengungen koordinieren solle.
Annan warnte auch, in Zeiten der Globalisierung habe jede Sicherheitsbedrohung eines Landes globale Auswirkungen. Daher müsse die Staatengemeinschaft gemeinsam für eine sichere Welt arbeiten. Dazu gehöre neben verstärkten Friedenseinsätzen die Stärkung der gemeinsamen Verteidigung, der Kampf gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ein umfassendes Übereinkommen zur Terrorismusbekämpfung. Stärker sei die UNO auch gefordert, die Bürger vor Völkermord und Gräueltaten zu schützen. Wenn einzelne Staaten dabei versagten, müsse der UN-Sicherheitsrat notfalls auch die Anwendung von Gewalt beschließen.
Hillary Clinton bezeichnete es als bedauerlich, dass auch in den USA viele versuchten, die UNO auszuhöhlen, weil sie sie für zu stark hielten. Alle Beteiligten hätten jedoch mehr zu gewinnen als zu verlieren, wenn sie die UNO stärkten und Verwaltungsmängel beseitigten: Die UNO ist eine Organisation, ohne die wir nicht auskommen. Für die USA forderte die frühere First Lady eine besondere Rolle in den Vereinten Nationen ein.
Der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) forderte seinerseits die USA auf, eine stärkere Rolle in den Vereinten Nationen zu übernehmen. Es stelle sich die Frage, ob die USA sich innerhalb des Systems der UNO definieren oder außerhalb. Ausdrücklich lobte er den von Annan in Gang gesetzten Prozess zur umfassenden Reform der UNO.
Fischer verteidigte den Vorstoß des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) vom Vortag, der eine NATO-Reform gefordert hatte. Mit der Forderung danach und nach einer Neubestimmung der transatlantischen Beziehungen war Schröder auf ein verhaltenes Echo gestoßen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld reagierte am Samstag auf der Konferenz zurückhaltend auf die Kritik am Zustand der Verteidigungsallianz. Er lobte die NATO als das eindrucksvollste Militärbündnis in der Geschichte der Menschheit.
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer wies die Kritik zurück und betonte, das Bündnis wachse und gedeihe. Die NATO befinde sich in einem Reformprozess, der fortgesetzt werde. Der EU-Außenbeauftragte und frühere NATO-Generalsekretär Javier Solana betonte, der Kontakt zwischen NATO und EU habe sich erheblich verbessert. Scharfe Kritik an Schröder übte der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a. D. Klaus Naumann. CDU-Chefin Angela Merkel forderte die Europäer zum Schulterschluss mit den USA in Fragen der Sicherheitspolitik auf.