AA

Anklage: "Gefährliches Glücksspiel"

Hätten Helmut Elsner und Johann Zwettler nicht mit dem der Narrow Ltd. gewährten Kredit missbräuchlich die Entscheidung zur Fortsetzung der einseitig auf fallenden Yen ausgerichteten Spekulationsgeschäfte von Wolfgang Flöttl getroffen, sondern einen geordneten Rückzug in risikoärmeres Terrain angetreten, "wäre großer Schaden von der Bank abgewendet worden".

Diese einleitende Feststellung trifft Staatsanwalt Georg Krakow in seiner Anklageschrift, bevor er eingehend auf die Phase des so genannten Totalverlusts 1998 zu sprechen kommt, der die BAWAG laut Anklage 639 Mio. US-Dollar (468 Mio. Euro) kosten sollte.

Für Krakow fußen sämtliche rechtlich bedenklichen Vorgänge bis zum Auffliegen der BAWAG-Affäre auf jenen Oktobertagen im Jahr 1998, als der so genannte Totalverlust den damaligen Entscheidungsträgern der BAWAG bewusst wurde und sie nach Ansicht der Anklagebehörde zu „Verschleierungen und folgenschweren Neuinvestments“ bewog.

„Vernünftig und auch geboten wäre es gewesen, die Positionen – mit negativem Ergebnis, aber ohne Totalverlust – gänzlich zu liquidieren, auf ein Minimum zurückzufahren oder wenigstens Absicherungsmaßnahmen, zum Beispiel durch den Aufbau risikogegenläufiger Instrumente, zu ergreifen“, beschreibt Krakow das Alternativverhalten, das Elsner und Zwettler seiner Ansicht nach im Herbst 1998 in Bezug auf die Geschäfte mit Wolfgang Flöttl zu setzen gehabt hätten, um dem Bankwesengesetz Genüge zu tun. Das hätte den beiden „aus ihrer Jahrzehnte langen Bankerfahrung, besonders aus ihrer Tätigkeit im Vorstand“ klar sein müssen.

„Gleichwohl setzten sie alles auf eine Karte und trafen damit eine Entscheidung, die gefährlichem Glücksspiel gleichkam. Dazu unterließen sie es auch noch pflichtwidrig, andere Vorstandskollegen oder den Aufsichtsrat zu informieren“, hält Krakow fest.

Die Folgen werden in der Anklage wie folgt skizziert: „Das gewählte hochriskante Konzept ging nicht auf. Der Yen fiel nicht. Im Gegenteil, im Laufe des Oktobers 1998 stieg er von 135,8 auf am 30. des Monats 116,2 Yen je US-Dollar. Gleich zu Beginn dieser Periode informierte Flöttl Elsner über die prekäre Situation. Elsner flog von 6. bis 9. Oktober 1998 – die Verluste hatten bereits begonnen – nach New York zu Flöttl, besprach sich mit ihm und ordnete dennoch an, die Positionen zu halten und nicht zu liquidieren.“

Weiter schreibt Krakow in der Anklageschrift: „Da sich die Märkte von den Spekulationen Elsners nicht beeinflussen ließen, verlor er – zu diesem Zeitpunkt erwartungsgemäß. Flöttl hielt auftragsgemäß die Positionen und setzte Elsner laufend telefonisch in Kenntnis über die verlustbringende Entwicklung. Elsner befahl weiteres Durchhalten. Das gesamte von Flöttl für die Spekulationen eingesetzte Kapital von – einschließlich des „Narrow“-Engagements – 758 Mio. US-Dollar war verloren. 639 Mio. US-Dollar davon stammten von der BAWAG, die diesen Betrag in vier Tranchen vier Flöttl-Firmen überwiesen hatte. Die restliche Summe entspricht nicht ganz dem 20-prozentigen Aufschlag aus Eigenmitteln, den Flöttl vertragsgemäß einzusetzen und der vorweg für die Verluste herzuhalten hatte.“

Von 19. bis zum 21. Oktober flog Elsner neuerlich nach New York, um mit Flöttl Wege aus der Misere zu suchen. Ausweg gefunden wurde offenbar keiner. Elsner rief noch aus New York Zwettler an, informierte diesen über die Verluste und beauftragte ihn, die übrigen Vorstandsmitglieder sowie den damaligen BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz am 23. Oktober 1998 in München zu einer Sitzung in der Bayerischen Landesbank zu versammeln. „Dort eröffnete Elsner dem übrigen Vorstand und Nakowitz den Totalverlust und schob die Schuld entgegen den wahren Verhältnissen auf Flöttl allein ab. Dieser sollte durch sein Handeln die Verluste allein verursacht haben“, ist dazu der Anklageschrift zu entnehmen.

Was das für die BAWAG für Folgen hatte, beschreibt der Staatsanwalt folgendermaßen: „Das Ausmaß des eingetretenen Verlustes war nicht nur in absoluten Zahlen gigantisch, sondern für eine Bank in der Größenordnung der BAWAG auch existenzbedrohend. Dazu braucht man sich nur vor Augen zu führen, dass das TIER-1-Kernkapital von rund 11,3 Mrd. Schilling durch die Verluste von zum damaligen Devisenkurs (16. Oktober 1998) umgerechnet 7,3 Mrd. Schilling (639 Mio. US-Dollar) zu fast zwei Drittel aufgezehrt war. Eine ordnungsgemäße Bilanz zu erstellen, war unmöglich. Der Einschuss von Eigenkapital war nötig. Ä…Ü Auflagen der Bankenaufsichtsbehörde für eine Wiederaufnahme der Sondergeschäfte waren in vielerlei Hinsicht gröblich verletzt worden.“

In diesem Zusammenhang wirft Krakow auch dem mitangeklagten Bankprüfer Reiter grobe Verfehlungen vor: Dieser hätte seiner im Bankwesengesetz vorgesehenen Redepflicht nachkommen und nach Ansicht der Anklagebehörde den gesamten Vorstand, die Mitglieder des Aufsichtsrates, den Finanzminister und die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in Kenntnis zu setzen gehabt. Der Vorstand wiederum hätte von sich aus den Aufsichtsrat informieren und eine außerordentliche Hauptversammlung anberaumen müssen.

„Nichts davon geschah“, fasst Krakow zusammen. Vielmehr hätte „ein kleiner Kreis“ versucht, „die Verluste und ihre Ursachen zu verschleiern.“ Dieser „kleine Kreis von Eingeweihten“ habe auch nicht davor zurück geschreckt, gesetzliche Vorschriften zu missachten, und in weiterer Folge „hunderte Millionen und zuletzt mehr als eine Milliarde Euro dem Verlorenen nachzuwerfen“.

Die Anklageschrift ortet in diesem Kontext „kriminelle Methoden“ und hält fest: „Damit nahm jenes wirtschaftliche Verhängnis seinen Lauf, das die BAWAG später an den Rand des Untergangs führen sollte. Alle folgenden Entscheidungen zu Verschleierung und folgenschweren Neuinvestments haben ihre logische Wurzel in den Oktobertagen 1998, als Elsner, Zwettler, Nakowitz und BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günther Weninger beschlossen, das ihnen anvertraute Unternehmen, die fünftgrößte Bank Österreichs, zu schädigen, um ihre eigene Stellung zu retten.“

  • VIENNA.AT
  • Bawag
  • Anklage: "Gefährliches Glücksspiel"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen