Anhaltende Gewalt im Irak
Nachdem zunächst Milliardensummen nach dem Gießkannenprinzip verteilt worden sind, werden jetzt wegen der anhaltenden Gewalt zwei Drittel aller Projekte in der Wasser- und ein Drittel in der Energiewirtschaft nicht fertiggestellt. Anschläge, Entführungen, Einschüchterungen und Vandalismus fordern ihren Preis – auch an Menschenleben. 467 Vertragsarbeiter aus aller Herren Länder kamen nach US-Angaben seit Beginn des Wiederaufbaus 2003 ums Leben.
Auch wenn US-Politiker immer wieder auf Erfolge beispielsweise im Bildungs- und Gesundheitswesen und bei der Förderung von Demokratie verweisen, fällt die Bilanz des Wiederaufbaus ernüchternd aus. Wir haben mit Sicherheit nicht so viel getan, wie wir ursprünglich gehofft haben, räumte der hochrangige Berater im Außenministerium, James Jeffrey, während einer Anhörung im amerikanischen Senat ein. Zwar habe sich die Stromversorgung seit Kriegsende um 30 Prozent erhöht, aber noch immer nicht den Vorkriegsstand erreicht.
Für die Einwohner der Millionenstadt Bagdad gibt es nach einer US-Statistik nur ein Mal 5,1 Stunden Strom pro Tag. Im Landesdurchschnitt sind es 9,3 Stunden. Auch bei zwei weiteren Indikatoren für Erfolg, der Erdöl- und Wasserwirtschaft, sieht es eher schlecht aus. 2,5 Millionen Barrel Öl förderte der Irak vor dem Krieg, heute sind es nach US-Angaben 1,43 Millionen. Die Anfangsvorstellung des Pentagons, wonach aus dem Füllhorn der irakischen Ölindustrie der Wiederaufbau weitgehend bezahlt werden könne, erwies sich als fataler Irrtum.
In Berichten und bei Anhörungen zeichnen US-Regierungsbeamte ein düsteres Bild, wie der Volksaufstand und Terrorismus den Bemühungen der USA um den Wiederaufbau zusetzen. Als besonders verheerend haben sich danach Anschläge auf Transformatoren und Strommasten in der Energiewirtschaft sowie Pipelines in der Ölindustrie erwiesen. Nach einem Bericht der Untersuchungsbehörde des US-Kongresses müssen derzeit 16 bis 22 Prozent aller Ausgaben für wichtige Infrastrukturprojekte allein in Sicherheitsvorkehrungen gesteckt werden. Der zusätzliche Schutz mache die Projekte damit teurer als vorgesehen.
Der Generalinspektor für den Wiederaufbau im Irak, Stuart Bowers, beklagt, dass das Klima von Unsicherheit die dringend benötigten ausländischen Spezialisten vertrieben habe. Als Folge der Gewalt sollen von 136 geplanten Projekten im Wasser- und Abwasserbereich nur 49 fertiggestellt werden können. In der Energiewirtschaft bleiben von 425 Projekten 125 auf der Strecke. Die Ressourcen fließen zurzeit nur noch in kleinere Vorhaben, die schnell realisiert werden können. Einheiten der US-Armee müssen die Teams schützen.
Die Weltbank und die Vereinten Nationen sind bisher in ihren Schätzungen davon ausgegangen, dass der Irak für den Wiederaufbau von 2004 bis 2007 rund 56 Milliarden Dollar (47,1 Milliarden Euro) benötigt. Diese Summe werde wegen der zusätzlichen Ausgaben wie für Sicherheit nicht ausreichen, heißt es in einem Bericht der Untersuchungsbehörde des Kongresses.
Knapp 21 Milliarden Dollar (17,6 Mrd. Euro) bewilligte der US-Kongress bisher für den Wiederaufbau. Ein Viertel der Summe verschlang allein der Bereich Sicherheit. Erst danach folgen mit 4,3 Milliarden Dollar die Energie- und mit 2,1 Milliarden Dollar die Wasserwirtschaft. Eine Milliarde Dollar kosteten nach Angaben des Außenministeriums die Bemühungen, eine Zivilgesellschaft aufzubauen und die Demokratie zu fördern.
Nur 479 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe für den Irak hat die US-Regierung für das kommende Haushaltsjahr 2007 beantragt. Die Regierung sagt, dass der Irak ab jetzt mehr auf Zuwendungen aus dem Ausland und eigene Einnahmen bauen muss, heißt es in einem Bericht des Informationsdienstes des US-Kongresses.