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Angst und sexuelles Begehren

Angst, dass die Tochter den sexuellen Missbrauch verrät, und der Wunsch, sie als Sexualpartnerin zu behalten, waren nach Auffassung des deutschen Kriminologen Christian Pfeiffer der Grund für Josef F., seine Tochter einzusperren.

“Umbringen wollte er sie offenbar nicht – also blieb aus seiner Logik nur der Keller”, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen am Dienstag im Gespräch mit der APA.

Pfeiffer sieht Parallelen in den Persönlichkeiten von Josef F. und den Entführer Natascha Kampuschs, Wolfgang Priklopil: Bei beiden handle es sich um Menschen mit hoher Intelligenz, hoher Fähigkeit zu planen und zu täuschen, die ihre soziale Kompetenz für Verbrecherisches verwendet hätten. “Es schafft nicht jeder, bei solchen Taten unerkannt zu bleiben”, meinte der Kriminologe. “Der Fall in Amstetten ist natürlich noch schlimmer als der Fall Kampusch, da der Inzest dazukommt. Wenn der eigene Vater der Täter ist, geht ein Stück Grundvertrauen verloren. Der Urvorstellung nach, die wir alle haben, kann man sich auf Eltern verlassen. Diese Vorstellung wird hier untergraben, das ist eine doppelte Verletzung. Darüber hinaus entstehen in Opfern häufig Schuldgefühle, als ob sie als Kinder etwas falsch gemacht hätten.”

Sexueller Missbrauch durch den biologischen Vater sei “nicht völlig aus der Welt”, erklärte Pfeifer. “Dass in einem Vater seiner letzten Tochter gegenüber sexuelle Lust erwacht, ist nicht so selten.” Nachdem die Tochter weggelaufen sei, habe der “Familiendiktator, wie es ihn selten gibt”, Angst bekommen, nachdem sie das zweite Mal von zu Hause ausriss, “hat er Panik gekriegt, sie könnte ihn verpfeifen. Also blieb aus seiner Logik nur der Keller. Er wollte sie ja als Sexualpartnerin behalten. Dann wurde die Tochter das erste Mal schwanger. Ab da hat die Geschichte ihre eigene Logik.”

Für keineswegs sicher hält Pfeiffer die Annahme, dass die Ehefrau von Josef F. weder vom sexuellen Missbrauch ihrer Tochter noch von den Menschen im Keller wusste. “Auch die Ehefrau stand unter dem Druck des Despoten. Es kommt doch häufig vor, dass Mütter sexuellen Missbrauch bemerken. Wenn sie zunächst schweigen, hat der Ehemann sie in der Falle.” Darüber hinaus müsse man die Frage stellen, ob es tatsächlich möglich war, dass allein Josef F. 24 Jahre lang die Versorgung von Elisabeth F. und später der Kinder übernommen hatte. Pfeiffer: “War nie krank? War er nie auf Reisen?”

Zweifel hätten nach Überzeugung des Kriminologen auch den Behörden kommen müssen, nachdem angeblich die als vermisst geltende Tochter drei ihrer sieben Kinder vor die Tür ihrer Eltern gelegt hatte. “Das ist ein Märchen. Beim ersten Mal ist es vielleicht glaubwürdig, aber nicht beim zweiten und schon gar nicht beim dritten Mal. Da hätten die Behörden hellhörig werden müssen.”

Viele Fragen seien noch nicht gestellt worden, meinte der Kriminologe. “Auch wenn man jetzt einiges nicht oder nicht öffentlich diskutiert – die betroffenen Kinder werden später danach fragen.”

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