Das Umweltministerium in Berlin bezeichnete den Bericht als reine Spekulation. Der oberösterreichische Energie-Landesrat Rudi Anschober (G) fordert von der österreichischen Regierung eine “aktive Rolle” hinsichtlich der deutschen AKW-Pläne ein.
Im Rahmen neuer Sicherheitsauflagen, die im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung erlassen werden sollten, könnten einzelne AKW vom Netz gehen, hieß es in der “Süddeutschen Zeitung” unter Berufung auf Angaben aus Regierungskreisen. Welche Kraftwerke im Zuge der geplanten Sicherheitsauflagen vom Netz gehen könnten, und wie viel länger die übrigen Reaktoren laufen könnten, sei aber noch offen.
“Es bleibt beim verabredeten Zeitplan”, sagte dagegen ein Sprecher des deutschen Umweltministeriums am Montag in Berlin. Demnach werde die Regierung Ende August Szenarien für unterschiedliche AKW-Laufzeiten vorlegen, im September dann das von ihr angekündigte umfassende Energiekonzept. Der Sprecher bestätigte allerdings, dass “die Frage der Sicherheitsstandards ein wichtiger Punkt sein wird, wenn es um Laufzeitverlängerungen geht”. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans bekräftigte ebenfalls, dass eine Entscheidung über künftige Akw-Laufzeiten erst im Rahmen des geplanten Energiekonzepts im Herbst fallen werde.
Die schwarz-gelbe Koalition in Deutschland streitet seit Monaten über den Umfang der geplanten Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. Während Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine “moderate Verlängerung” fordert, drängen vor allem die Atombranche und Unionspolitiker in Bundesländern mit hoher Abhängigkeit von der Atomkraft – wie Bayern und Baden-Württemberg – auf eine möglichst lange Lebensdauer der Anlagen.
CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs sprach am Sonntag von einer Laufzeitverlängerung um 14 bis 20 Jahre. Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch verlangte, ein Teil der Zusatzgewinne der AKW-Betreiber durch längere Laufzeiten müsse in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen.
Laut einem Bericht des “Handelsblatts” (Dienstag-Ausgabe) sind die Akw-Betreiber inzwischen bereit, die von der Regierung geplante Brennelementesteuer zu akzeptieren. Auch solle vertraglich die Gründung einer Stiftung vereinbart werden, in die ein Teil der Zusatzerlöse fließen solle, um mit dem Geld erneuerbare Energien zu fördern. Grüne, Linke und Umweltverbände lehnten erneut jede Verlängerung von Akw-Laufzeiten ab.
Anschober schrieb: “Kanzler, Vizekanzler, Umweltminister und Außenminister müssen aktiv werden und mit den deutschen Regierungskollegen Kontakt aufnehmen, da es – so wie bei Tschechiens Reaktoren – um österreichische Sicherheitsinteressen geht.” Anschober zufolge könnten Laufzeitverlängerungen im Fall vom AKW Isar1, dem am nächsten zur oberösterreichischen Grenze in Bayern gelegenen AKW, bedeuten, dass der 1977 in Betrieb genommene Reaktor nicht wie geplant im kommenden Jahr stillgelegt werden würde, sondern vielleicht erst im Jahr 2025. Das AKW entspreche Plänen der 60er Jahre, eine Fristverlängerung nicht verantwortbar.
Unterdessen berichtete die “Berliner Zeitung” unter Berufung auf einen Bericht der EU-Kontrollbehörde ESA, der Atombrennstoff Uran werde sich in den kommenden Jahren weltweit rasant verknappen und verteuern. In Deutschland gibt es 17 AKW.
Den von der “Süddeutschen Zeitung” kolportierten Kompromiss könnte offenbar der baden-württembergische Ministerpräsident und AKW-Befürworter Stefan Mappus (CDU) gesichtswahrend mittragen. Er ist in seinem Bundesland mit einer wachsenden Koalition von Atomkraftgegnern konfrontiert, im März finden dort Landtagswahlen statt. Der schwarz-gelben Landesregierung in Stuttgart droht “ein heißer Herbst”, sagt Brigitte Dahlbender, Vorsitzende der Umweltschutzorganisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg. Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation “Ausgestrahlt”, sagte: “Wir bereiten Massenproteste vor.”
Im Jahr 2000 war von der damaligen rot-grünen deutschen Regierung ein Ausstieg aus der Atomkraft mit den Energiekonzernen ausgehandelt worden. 2002 war er in Kraft getreten. Unter der Großen Koalition 2005 bis 2009, als die SPD noch in der Regierung war, blieb er unangetastet. Er begrenzte die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke auf 32 Jahre. Nun soll er offenbar revidiert werden.