Andreas Wabl rätselt, was aus den Grünen geworden ist

Niedergeschrieben wurde die Spurensuche von seinem Neffen Stephan Wabl und ist gespickt mit Interviews mit ehemaligen Weggefährten und aktuellen Granden. Was sich ihm bietet, ist ein "Bild zwischen Träumerei und Realismus": eine Partei, die es geschafft habe, sich zu etablieren, die aber junge Öko-Bewegte zu verlieren drohe.
Andreas Wabl: "Bild zwischen Träumerei und Realismus"
Es sei "die Zerstörung unserer Lebensräume und das Missachten der Demokratie" gewesen, die ihn zu einem politischen Menschen gemacht habe, schreibt der 72-Jährige, der 1986 unter jenen war, die für die Grünen erstmals in den Nationalrat einzogen. Von diesen acht sei nur er geblieben. "Alle anderen haben sich von der Politik zurückgezogen, sich komplett mit den Grünen verworfen oder sind nicht mehr am Leben", schreibt Wabl in der fast 200-seitigen Mischung aus persönlich gefärbter Parteihistorie und Interviewsammlung.
Einer der Interviewten ist Johannes Voggenhuber, der auch diesen Anlass nicht verstreichen lässt, seine subjektive Sicht von durch Machtteilnahme korrumpierten Grünen auszubreiten. Ebenfalls nicht seinen Frieden gemacht hat Peter Pilz, der den seit 2020 mit der ÖVP regierenden Grünen einen weiteren Rausflug aus dem Parlament in Aussicht stellt.
Ablehnende Stimme von Lena Schilling
Doch auch abseits der Seniorenfraktion kommt eine ablehnende Stimme zu Wort, nämlich die Öko-Aktivistin Lena Schilling. "Bei uns sind viele Leute sehr enttäuscht von den Grünen. Das betrifft nicht nur den Klimaschutz, sondern auch Sozialpolitik und Menschenrechtsfragen", kritisiert sie: "Die Grünen gibt es seit 40 Jahren und die Strukturen haben sich nicht zum Besseren gewandelt. Im Gegenteil."
Klarerweise um einiges versöhnlicher fällt die Einschätzung der aktuellen Grünen-Spitze aus. Sich wegen Kompromissen Sorge um Wählerverlust oder Beliebtheitskratzern einer Regierungsbeteiligung zu verweigern, "das hielte ich für feig und einen Verrat am grünen Programm", meint da etwa Klubobfrau Sigrid Maurer.
Andreas Wabl über die Grünen
Auch vom aktuellen Parteichef Werner Kogler - dessen Anfänge als seinen eigenen parlamentarischen Mitarbeiter Wabl nicht zu erwähnen vergisst - kommt ein Bekenntnis zum Mitregieren. "Es macht einen Unterschied, ob ich eine türkis-blaue Regierung habe oder eine türkis-grüne", so seine Festlegung: "Die Grünen können nicht nur sich selbst sehen. Wir müssen auch unsere Umgebung und die Welt sehen. Denn um diese geht es schließlich."
Wohlwollende Worte kommen von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, der aus SPÖ-Sicht feststellt, es sei "keine Schande, die Grünen zu wählen". Dass die Grünen sehr pragmatisch geworden seien, meint Ex-Bundessprecherin Eva Glawischnig. Sie selbst - beim Aufstieg an die Parteispitze gerade von Schwangerschaftsübelkeit geplagt - sei in dieser Spitzenposition ausgebrannt: "Was ich am grünen Stil nicht mag, ist, dass wir nicht gut auf uns selbst aufpassen. Das ist schade, denn so viele Grüne sind wir ja nicht."
Wabls eigenens Fazit fällt positiv aus
Wabls eigenes Fazit fällt schließlich positiv aus: "Ein halbes Leben nach der Gründung der Grünen sieht Österreich aus wie eine andere Welt: umweltbewusster, gleichberechtigter, vielfältiger und lebensfroher." Die strukturellen Machtverhältnisse in Österreich hätten sich kaum verändert, aber den Grünen sei es gelungen, sich als politische Kraft einen Platz im Land zu erkämpfen.
Vor diesem Hintergrund warnt Wabl allerdings auch: "Eine Grüne Partei, die nicht mehr als Alternative, sondern nur mehr als Teil der herrschenden Strukturen wahrgenommen wird, läuft Gefahr, sich im Anpassen an die Machtverhältnisse zu verlieren." Die Grünen müssten klar darstellen, für welche Alternative sie stünden: "Dann werden sie in Zukunft bei Wahlen erfolgreich sein und gleichzeitig aufzeigen, wohin ein alternativer Weg mit ihnen führen kann."
(APA/Red)