Andreas Vitásek veröffentlicht Buch: "Ich bin der Andere"

"Ich bin der Andere" heißt das nun im Brandstätter Verlag erschienene und mit etlichen Fotos angereicherte "Selbstporträt" des Wiener Kabarettisten, Schauspielers und Regisseurs.
Andreas Vitásek veröffentlicht Buch
Anders als in seinen Programmen fühle er sich nun "viel mehr der Wahrheit verpflichtet", schreibt er. "Ich möchte ja nicht, dass später jemand behauptet: Der lügt doch wie gedruckt." Das Buch ist unterhaltsam, doch nicht auf Pointe geschrieben - auch, wenn er sich gerne an seinen ersten Gag erinnert, den er als Vierjähriger immer wieder wiederholte: Die Frage nach seinem Namen beantwortete der Dreikäsehoch nämlich mit "Andreas Vitásek, geborener Bierbaumer", da seine Eltern erst kurz zuvor geheiratet hatten. Auch Anekdoten über seine Gymnasiums-Professoren Ernst Jandl und Stefan Weber (der Schüler, anerkennend über einen aus dem Ruder gelaufenen "Drahdiwaberl"-Auftritt: "Herr Professor, gestern waren Sie aber schon sehr arg.") oder über seine Begegnungen mit Giorgio Strehler und Peter Brook, Hildegard Knef und Harry Dean Stanton liest man sehr gerne. Und die Geschichte, in der er in einer Skihütte mit Bastian Schweinsteiger verwechselt wurde, sei wirklich wahr, schwört er.
Über seine Kindheit und die Schattenseiten
Erstaunlich offen schreibt er über manche Phasen seines Lebens, die man für Schattenseiten eines Sonnyboys halten könnte. Seine Jugendjahre in Favoriten hätten etwa auch der Beginn nicht eines künstlerischen, sondern eines kriminellen Karrierewegs sein können. "Wenn man mich damals bei einem 'Bruch' erwischt hätte, wäre mein Leben wahrscheinlich anders verlaufen." Von seinem Vater wurde er einmal schwer verprügelt - und entschied sich bei der Scheidung der Eltern aus Kalkül wie aus Gerechtigkeitsempfinden doch für ihn. Als 15-Jähriger werde er bei dem "unverschuldet" Geschiedenen wohl deutlich mehr Freiheiten genießen, so die richtige Überlegung.
Der künstlerische Aufbruch in den 1970ern, prägende Workshops bei Eugenio Barba in Dänemark und in der Ecole Jacques Lecoq in Paris, Arena-Bewegung und Interrail - das "Selbstporträt" ist auch ein Zeitdokument und der Künstler Vitásek ein Kind dieser Zeit. An einige Stationen dieses Lebenswegs hält er kurz inne und überlegt: Hätte es auch anders kommen können? Hätte er damals in Stockholm die Einladung einer schönen Lappin angenommen, mit ihr in der Tundra Rentiere zu hüten statt in Paris die Clownschule zu beginnen, "wäre ich heute vielleicht stolzer Besitzer einer Rentierherde und Vater von wunderschönen Kindern mit hohen Wangenknochen. Das mögliche Leben und das wirkliche Leben. Nur um es anzumerken, meine Kinder sind natürlich auch wunderschön." Ihnen hat er das Buch gewidmet: "Für Milena, Coco und Stanislaus."
In Paris hat er "seinen persönlichen Clown" gefunden, den er mitunter auch zu Hause nicht unterdrücken kann ("Papa, du stehst nicht auf der Bühne."), aber auch schwierige Zeiten zu überstehen gehabt. Statt die Welt zu erobern kam er nach Wien zurück. Der Liebe wegen. Für sein wechselhaftes Beziehungsleben plädiert er auf mildernde Umstände und schreibt: "Bei allen Frauen, die es betrifft, möchte ich mich entschuldigen, und im Gegenzug auch allen verzeihen, die mir wehgetan haben. Ein Egoist hat tiefen Respekt vor dem Egoismus anderer."
Der Beginn seiner Karriere
Die ersten Jahre als Pantomime und Kabarettist, in denen sich zunächst nach Abzug aller Unkosten gerade mal das Abendessen ausging, werden ebenso gestreift wie der sich dann einstellende Erfolg mit ausverkauften Spielserien. Bei der Beurteilung des Erfolgspotenzials künstlerischer Ideen seien Fehleinschätzungen übrigens seine Spezialität, bekennt Vitàsek: Niki Lists Film "Müllers Büro", der sein Karrieredurchbruch werden sollte? Ein ganz schwaches Drehbuch. Eine TV-Serie mit einem Polizeischäferhund? Nicht besonders originell. Der Kaiser als Gastgeber einer Talkshow? "Ich meinte, das wäre die blödeste Idee, die ich seit Langem gehört habe."
Die vergangenen Jahre mit großen Erfolgen im Kabarett, eher ernüchternden Erfahrungen im Theaterbetrieb und extensiver Tätigkeit in Film und Fernsehen werden eher kursorisch behandelt. Er habe ja nicht den ausufernden Selbstbespiegler Karl Ove Knausgard kopieren wollen, sagt er im APA-Interview, obwohl auch er genug Material für sechs Bände gehabt habe. Die kommen ja vielleicht noch.
Ein paar kurze Schwenks sind sich aber doch noch ausgegangen, ins Südburgenland, wo er eine zweite Heimat gefunden hat ("Dort ist immer irgendwie Lockdown."), zu seinem Zusammenbruch, der ihn in wenigen Momenten zum "zitternden Greis" machte, der erst durch Psychotherapie wieder zu Lebenskraft fand, oder zum 65er, den er dank Corona nicht wie geplant mit einer mehrmonatigen Reise um die Welt, sondern beim Ansehen von Gratulations-Videobotschaften von Fans und Freunden vom Bundespräsidenten abwärts verbrachte. "Der kleine Andi aus Favoriten weinte. Im indianischen Sternzeichen bin ich Biber. Und Biber bauen bekanntlich ihre Behausung nah am Wasser."
(APA/Red)