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"Anarchokapitalist" Milei gewinnt die Vorwahlen in Argentinien

Javier Milei.
Javier Milei. ©AP
Das Abschneiden Mileis war mit Spannung erwartet worden, denn er steht außerhalb des traditionellen Parteienspektrums des südamerikanischen Landes.

In Argentinien hat der libertäre Populist Javier Milei bei den Vorwahlen zur Präsidentenwahl einen Erdrutschsieg erzielt. Der 52-jährige Ökonom kam nach der nach Auszählung fast aller Wahllokale überraschend auf 30,06 Prozent der Stimmen, wie die Zeitung "La Nación" am Montag berichtete. Dem Abgeordneten wird eine ideologische Nähe zum früheren rechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und Ex-US-Präsident Donald Trump nachgesagt.

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Milei will die Zentralbank abschaffen

Milei bezeichnet sich selbst als "Anarchokapitalisten" und steht außerhalb des traditionellen Parteienspektrums in dem südamerikanischen Land. Er will unter anderem die Zentralbank abschaffen und den US-Dollar als Währung einführen, außerdem öffentliche Ausgaben kürzen und das Bildungs- und Gesundheitssystem privatisieren.


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"Wir treten für diesen Wandel an"

"Das Problem hier sind nicht mehr die Köche, sondern das Rezept. Wenn wir keine 180-Grad-Wende vollziehen, wird sich Argentinien in das elendste Land der Welt verwandeln", sagte Milei nach seinem Wahlsieg. "Wir treten für diesen Wandel ein. Die einzigen, die es nicht verstehen wollen, sind die Politiker. Denn ihnen geht es nicht schlecht. Es sind die Argentinier, denen es schlecht geht. Argentinien ist seit 40 Jahren ein Desaster."

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Argentinien: Schwere Finanz- und Wirtschaftskrisse

Argentinien steckt in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei 115 Prozent. Das Land leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Präsidentenwahl

Die gesetzlich vorgeschriebenen Vorwahlen am Sonntag galten als Stimmungstest für die Präsidentenwahl am 22. Oktober und dienten der Lichtung des Parteienspektrums. Nur Parteien und Wahlbündnisse, die mindestens 1,5 Prozent der Stimmen erhalten, dürfen an der Präsidentenwahl teilnehmen. Zudem bestimmen einige Parteien über die Vorwahlen ihre Spitzenkandidaten.


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Konservative Opposition

Die konservative Opposition kam bei der Wahl insgesamt auf 28,27 Prozent der Stimmen. Die frühere Innenministerin Patricia Bullrich setzte sich gegen den Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, durch und wird das Bündnis "Juntos por el Cambio" (Gemeinsam für den Wandel) bei der Präsidentenwahl vertreten. Das peronistische Regierungslager landete mit 27,24 Prozent nur auf Platz drei. Zum Spitzenkandidaten der "Unión por la Patria" (Union für das Vaterland) wurde Wirtschaftsminister Sergio Massa gewählt.

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Sieg war eine Überraschung

Der Sieg Mileis war eine Überraschung. In jüngsten Umfragen lag er meist nur auf dem dritten Platz. Er profitierte wohl vor allem von der Verzweiflung vieler Argentinier angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Situation und der Wut vieler Wähler auf die traditionellen Parteien. "Wir werden dieser parasitären Kaste den Garaus machen, die das Land zugrunde richtet", sagte Milei.

Wer ist Javier Milei und was fordert er?

Javier Milei, der bei den Vorwahlen in Argentinien die meisten Stimmen erhalten hat, fordert folgende Veränderungen:

  1. Vollständige Reform des Staates: Javier Milei hat eine umfassende Staatsreform angekündigt.
  2. Kürzung der öffentlichen Ausgaben: Er plant, die Staatsausgaben zu reduzieren.
  3. Schließung von Ministerien: Einige Ministerien sollen geschlossen werden.
  4. Abschaffung der argentinischen Zentralbank: Er möchte die nationale Zentralbank auflösen.
  5. Einführung des Dollars: Der argentinische Peso soll durch den US-Dollar ersetzt werden.
  6. Privatisierung: Das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Staatsunternehmen sollen privatisiert werden.
  7. Kritik an der politischen Kaste: Milei hat sich im Wahlkampf gegen die "politische Kaste" ausgesprochen und nach seinem Vorwahlsieg angekündigt, dieser "parasitären, korrupten und nutzlosen politischen Kaste" ein Ende zu setzen.
  8. Bewunderung für Donald Trump: Er bewundert den ehemaligen US-Präsidenten und steht ihm sowie dem früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro ideologisch nahe.
  9. Klimawandel: Milei hält den Klimawandel für eine Lüge.
  10. Waffenbesitz: Er möchte den Besitz von Handfeuerwaffen erleichtern.
  11. Verkauf menschlicher Organe: Milei vertritt die Ansicht, dass der Verkauf menschlicher Organe legal sein sollte.
  12. Sexualerziehung: Er glaubt, dass Sexualerziehung nur ein Trick ist, um die Familie zu zerstören.
  13. Persönliches Leben: Milei hat im Fernsehen über sein eigenes Sexualleben gesprochen und sich als "tantrischer Sexuallehrer" bezeichnet. Er hat auch erwähnt, dass er bereits mehrmals Geschlechtsverkehr zu dritt hatte.
  14. Militärdiktatur: Javier Milei leugnet die Verbrechen der Militärdiktatur in Argentinien.
  15. Abtreibung: Javier Milei lehnt auch das Recht auf Abtreibung ab
  16. Gleichgeschlechtliche Ehe: In Bezug auf eine gleichgeschlechtliche Ehe gilt Milie als Unterstützer.

Zur Person: Javier Milei

  • Milei ist Wirtschaftswissenschaftler und seit 2021 Abgeordneter im argentinischen Unterhaus für die von ihm gegründete Partei "La Libertad Avanza" (Die Freiheit schreitet voran).
  • Er bezeichnet sich selbst als "libertärer Liberaler" und "Anarchokapitalist".
  • Wegen seines dichten, zerzausten Haares trägt er den Spitznamen "peluca" (Perücke).
  • Er lebt mit fünf englischen Mastiffs (eine englische Hunderasse) zusammen, von denen vier nach Wirtschaftswissenschaftlern benannt sind, die er bewundert.
  • Milei hat vorgeschlagen, dass seine Schwester Karina First Lady werden könnte, da er nicht verheiratet ist.
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