Amstetten ist auch nach dem Urteil nicht "erlöst"
Und das am letzten Prozesstag!
Klassische Anlaufstelle für Medienleute
Unmittelbar neben dem Haus von Josef F. in Amstetten war das kleine Espresso stets Anlaufpunkt für die Presse, denn der Herr Chef galt längst nicht nur als gern befragter Insider, sondern auch als geübter Interviewpartner.
Also wieder zurück zu den Übertragungswagen in der Dammstraße, ein Aufsager vor der Garageneinfahrt, ein Schwenk zum Haus, dann wieder warten. Anderswo waren die Amstettner wesentlich gesprächiger.
Nachrichten als Gesprächsstoff im Alltag
Es ist die ekelhafte Mischung aus Schnee, Regen und Wind, die den Einwohnern der Bezirkshauptstadt derzeit die Laune vermiest. Das Thema Josef F. sowie das heutige Urteil im St. Pöltner “Jahrhundertprozess” steht auf der Tagesordnung im Gasthaus “Zum goldenen Pflug” irgendwo zwischen den Lehrerprotesten, der Pensionsdebatte, dem neu formierten Fußballnationalteam und der Anschaffung von Fliesen wegen der längst fälligen Renovierung des Eigenheims.
Die seitenlange Berichterstattung über Josef F. wird im selben Tempo überblättert wie der Rest. “Geh, die schreiben ja so einen Blödsinn. Was interessiert die Leute, wie es mit den Pensionen im Jahr 2060 ausschauen wird?”, schüttelt einer den Kopf und bestellt das Menü um 5,50 Euro. Zwischen Fritattensuppe und Surschnitzerl wird der Fall F. dann doch plötzlich interessant. “Wissen’S, was ich jetzt gehört hab? Eine Schulklasse aus Amstetten war unlängst auf Skikurs in Obertauern. Kaum, dass sie dort waren, sind sie schon von den anderen gefragt worden, ob sie F.-Kinder sind. Das ist doch ein Wahnsinn, oder?”
“Noch lange nicht vorbei”
An ein Abebben des medialen Interesses an der zu trauriger Berühmtheit gelangten Familie aus der Ybbstraße glaubt man im “Goldenen Pflug” nicht. “Das ist noch lange nicht vorbei. Ich glaub, dass es jetzt erst so richtig losgeht. Es wird Bustouren zum Haus vom F. geben, und dann werden alle wieder nach Mauer pilgern”, ärgert sich der einheimische Mittagspäusler über die umhergeisternden Gerüchte. “Na, weil alle sagen, dass er nach der Verurteilung dorthin kommt.” Die Klinik, in der auch die von F. 24 Jahre in ein Kellerverlies gesperrte Tochter sowie die mit ihr gezeugten Kinder untergebracht waren, ist nur sieben Kilometer von Amstetten entfernt. “Da haben wir dann erst keine Ruhe.”
Hektik-Schübe bei TV-Teams
Der Schuldspruch – lebenslange Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – sorgt bei den TV-Teams an der Ecke Ybbstraße/Dammstraße noch einmal für Aufregung. Hektisch werden die Kameras aufgebaut, die Sat-Schüsseln ausgerichtet und die Mikros getestet. Einige Passanten stapfen, eingehüllt in ihre Wintermäntel und das Geschehen trotzig ignorierend, an den Fernsehleuten vorbei. “Ich hoffe, dass die jetzt bald Frieden geben”, sagt eine ältere Dame zu ihrer Begleiterin. “Na ja, wennst meinst…”