Amokläufe an Schulen
Es gibt sehr deutliche Verhaltensindikatoren, die darauf hinweisen, dass sich jemand auf dem Weg zu einer solchen Gewalttat befindet, sagte der Psychologe Jens Hoffmann von der Technischen Universität Darmstadt in einem dpa-Gespräch. Die schrecklichen Taten seien ein Endpunkt eines von Warnsignalen begleiteten Weges. Auch Sebastian B. habe seit Jahren zahlreiche Signale gesendet. Es gab ganz viele Leute, die Einzelinformationen hatten, aber niemanden, der die Puzzlesteine zusammen setzte, sagte Hoffmann.
Lange vor der Tat beschäftigten sich potenzielle Amokläufer mit Gewalt als Lösung ihrer Krise. Sie sprechen mit anderen darüber, wie toll Gewalt ist, brüsten sich im Internet und identifizieren sich mit anderen Gewalttätern. Auch Wut und Hass gegen eine bestimmte Person oder Gruppe in der Schule sind nach Hoffmanns Worten Indikatoren, die auf künftige Gewalttaten hindeuten. Das sind Sachen, die die Lehrer oft nicht mitkriegen, wohl aber die Mitschüler.
Der Psychologe kritisierte, dass es für Jugendliche in Deutschland keine Anlaufstelle gebe, um derartige Auffälligkeiten von Freunden und Mitschülern zu melden. Diese Aufgabe müssten Vertrauenslehrer übernehmen, die gleichzeitig in engem Kontakt zu Schulpsychologen und der Polizei stünden, forderte Hoffmann. Es herrscht immer noch die Vorstellung vor, dass solche Taten impulsiv und spontan sind, aber das ist Unsinn.
Die meisten Gewaltdrohungen an Schulen entstünden aus einer Stresssituation heraus. Wenn man den Schüler darauf anspricht, wird er sich von seiner Drohung distanzieren. Ganz viele Fälle ließen sich schnell und unproblematisch klären, wenn der Schüler nicht allein gelassen werde.
Zwar seien die meisten Amokläufer eher ruhige und verschlossene Typen, die in einer Krise sind. Aber selbst sie würden immer lange vor der Tat mit irgend jemanden kommunizieren. Oft seien sie depressiv und hofften, über eine Gewalttat Würde und Größe zu erlangen. Das sind Leute, die prinzipiell für Krisenprävention zugänglich sind, sagte Hoffmann. Wenn man ihnen Alternativen zur Gewalt aufzeige, könne man mit relativ wenig Aufwand viel erreichen.