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Amnesty International fordert Auflösung der Bereitschaftspolizei in Wien

An der Bereitschaftseinheit wird heftige Kritik geübt.
An der Bereitschaftseinheit wird heftige Kritik geübt. ©APA
Der Amnesty International, Heinz Patzelt, hat nach dem Bekanntwerden von Misshandlungsvorwürfen gegen die Wiener Polizei die Auflösung der Bereitschaftspolizei gefordert. Die Beamten haben ab der ersten Sekunde Amtsmissbrauch begangen", kritisierte er in einem Interview. Die Polizei weist indessen die Vorwürfe zurück.
Unabhängige Ermittlungen gefordert
47-Jährige misshandelt
Video zum Vorfall

Anlass der Kritik ist der am Dienstag publik gewordene und auf Video dokumentierte Fall einer 47-jährigen Wienerin von der Silvesternacht, die den Polizisten Misshandlung vorwirft, was nie weiterverfolgt wurde, während die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Frau erhob. Patzelt macht darauf aufmerksam, dass schon die Aufforderung zu einem Alkoholtest bei einer offensichtlich alkoholisierten Fußgängerin rechtswidrig sei. “In der fünfzehn Seiten langen Anzeige der Polizei wird gelogen, getäuscht, getarnt und verleumdet.” Erschreckend sei die Unverfrorenheit, so der ai-Chef: “Da ist eine Prügelorgie unter den Augen einer Kamera passiert, von der jeder Polizist gewusst hat, dass es sie gibt. Dann wird so eine Lügengeschichte daraus.”

Video zum Vorfall

Kritik an der Bereitschaftspolizei in Wien

Heftige Kritik übte Patzelt an der Bereitschaftspolizei, die er “eine bizarre Erfindung der Bundespolizeidirektion Wien mit dem bezeichnenden internen Namen ‘Kindersoldaten'” nannte. “Hier tut man etwas Wahnsinniges: Man steckt die unerfahrenen Absolventen der Polizeischule in eine Einheit für spektakuläre Festnahmen”, so der ai-Generalsekretär. “Man setzt nicht die WEGA, die andere Probleme hat, aber exzellent ausgebildet ist, ein, sondern das Jungvolk, das keine Ahnung von der Praxis hat. Man bringt ihnen dort in einem Schnellsiede-Verfahren in sechs Monaten bei, wie Polizeiarbeit auszusehen hat. Das sieht man dann auf dem Video. Ein Gebot ist jetzt die blitzartige Auflösung der Bereitschaftspolizei.”

Hat die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt?

Ebenso heftig kritisierte er die Rolle der Staatsanwaltschaft in dem Fall, der er eine “totale Fehlleistung” und eine “Komplizenschaft” mit der Polizei vorwarf. “Der Staatsanwalt hat im Verfahren eine aktive, umfassende Rolle. Hier ist das Gegenteil geleistet worden: Stinkfaul einerseits, tendenziös andererseits. Aus dem Polizei-Protokoll wurde eine Copy-and-Paste-Anklage gemacht. Es ist kein einziger Ermittlungsschritt gesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft war die Schreibstube der Polizei”, sagte Patzelt.

Kein Einzelfall, sondern Strukturproblem

Für den Amnesty-Chef handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein “massives, seit Jahren bekanntes Strukturproblem”. Der einzige Unterschied zu anderen Fälle, dass es hier eine umfassende Videodokumentation gebe. Sonst sei die Beweissituation für die Betroffenen verheerend. “Man muss den Wiener Bürgermeister Michael Häupl zur Verantwortung rufen. Er hat eine sehr starke Rolle bei der Benennung des Wiener Polizeipräsidiums. Der Bürgermeister ist offenbar nach wie vor damit einverstanden, wie hier agiert wird”, sagte Patzelt. Vom Anspruch, die größte Menschenrechtsschutz-Organisation zu sein, sei die Polizei in Wien “Lichtjahre entfernt”. Der Apparat in der Bundeshauptstadt kapsle sich “zunehmend aus einem besser werdenden Polizeisystem ab”.

Polizei: “Keine Misshandlung”

Gegen die Misshandlungsvorwürfe hat sich der Wiener Vize-Polizeipräsident Karl Mahrer am Donnerstagabend in ORF-Wien-Heute gewehrt. Mahrer zufolge ergibt sich aus dem Video, das die Frau selbst aufgetrieben hatte, “keinerlei Hinweis auf eine Misshandlung”. Es liege “in der Natur des Rechtsstaates, dass jetzt nicht die Polizei überprüft, sondern eben Staatsanwaltschaft und das unabhängige Gericht. Wir werden unsere Lernprozesse daraus ableiten”, sagte der Vize-Polizeipräsident.

Kritik übte Mahrer an der langen Dauer der Ermittlungen. Aber: “Die Dauer des Verfahrens lässt keinen Rückschluss zu, in welcher Form die Amtshandlung vor Ort abgelaufen ist.” Wie zuvor schon Polizeisprecher Johann Golob verwies Mahrer darauf, dass bei durchschnittlich 230 bis 260 Misshandlungsvorwürfen pro Jahr nur sehr wenige zu Anklagen und Verurteilungen führen würden. Das liege “daran, dass Staatsanwaltschaft und Gericht feststellen, dass der Vorwurf nicht gerechtfertigt war”. Mahrer: “Die Verletzung einer Person in einer Situation, in der ein Betroffener mit einem Polizisten in eine körperlich Auseinandersetzung kommt, bedeutet nicht automatisch, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hat, sondern oft das Gegenteil.” (APA)

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