Amerikaner wollen den Politikwechsel
Mit ihrer Stimme für die oppositionellen Demokraten machten sie ihrem Ärger über die Irak-Politik der Regierung und die jüngsten Sex- und Korruptionsskandale Luft.
Den forderten die Demokraten mit ihrer künftigen Mehrheit im Repräsentantenhaus auch gleich ein. Führende Politiker der Opposition riefen Bush vor allem zu einer Änderung seiner Irak-Politik auf. Die bisherige Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Abgeordnetenhaus und künftige Präsidentin der Kammer, Nancy Pelosi, hatte schon vor der Wahl angekündigt, sie werde nach einem Sieg den republikanischen Sumpf austrocknen.
Viele Republikaner hatten bereits vor der Abstimmung befürchtet, dass sie angesichts der allgemeinen Stimmungslage im Land nach zwölf Jahren die Mehrheit im Kongress verlieren könnten. Bush hatte jedoch bis zuletzt entgegengehalten und Siegeszuversicht verbreitet. In einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis gestand er laut seinem Sprecher Tony Snow am Mittwoch in der Früh ein, dass die Dinge nicht so gelaufen seien, wie er sich das gewünscht hätte.
Obwohl der Präsident bei den so genannten Zwischenwahlen nicht zur Disposition stand, legte sich Bush in seinem letzten Wahlkampf für die Kongresskandidaten seiner Partei mächtig ins Zeug. Aber seine Botschaft vom Irak-Krieg als notwendiger Teil des Kampfes gegen den Terror kam bei den Wählern anders als bei den vorherigen Wahlen nicht mehr an, wie erste Wahlanalysen zeigen. Die Wahlmaschine Bush zog nicht mehr. Sechs von zehn Wählern zeigten sich laut einer Wählernachfrage im Auftrag der Nachrichtenagentur AP unzufrieden mit der Amtsführung des Präsidenten.
Der immer unpopulärer werdende Irak-Krieg hat laut der Erhebung die Republikaner bei der Wahl am Dienstag viele Stimmen gekostet, doch die jüngsten Schlagzeilen über Sexskandale und Korruption machten ihnen noch mehr zu schaffen. Allein drei Viertel der Befragten erklärten, die Skandale seien wichtig für ihre Wahlentscheidung. Über den Irak-Krieg sagten das zwei Drittel. In beiden Gruppen erklärte eine Mehrheit, sie tendierten zu den oppositionellen Demokraten.
Zugewinne konnten die Demokraten laut der Umfrage in mehreren besonders hart umkämpften Bevölkerungsgruppen verbuchen: Wechselwähler, Mittelklasse und Frauen in Vorstädten. Insgesamt ließen sich die Wähler in ihrer Entscheidung bei der Kongresswahl mehr von nationalen als von lokalen Themen leiten. 60 Prozent gaben diese Antwort.
Mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus können die Demokraten künftig die politische Agenda des Landes wesentlich mitbestimmen und den Handlungsspielraum des Präsidenten in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit erheblich einschränken. Bush könnte dann im Weißen Haus zur Lame Duck, zur lahmen Ente, werden. Als Präsidentin der Abgeordnetenkammer dürfte die 66-jährige Kalifornierin Pelosi in den nächsten zwei Jahre die politisch mächtigste Frau in den USA sein. Sie steht in der Rangfolge der Staatsämter nach Präsident Bush und Vizepräsident Dick Cheney an dritter Stelle.