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Altkanzler Wolfgang Schüssel wird 75

Wolfgang Schüssel wird 75.
Wolfgang Schüssel wird 75. ©APA/HANS KLAUS TECHT
ÖVP-Altkanzler Wolfgang Schüssel gönnt sich zum 75. Geburtstag wieder ein Buch. Diesmal ist es eine Autobiografie, die das Leben des Politikers aufarbeiten soll.

Wolfgang Schüssel feiert am Sonntag 75. Geburtstag. Wie zu seinem 70er hat er sich zum Jubiläum ein Buch gegönnt. Waren es vor fünf Jahren gesammelte Kolumnen, ist es diesmal eine episodische Autobiografie. Langweilig wäre ihm auch so nicht gewesen. Neben seinen Hobbys ist Schüssel beratend tätig, etwa als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen.

Längster Obmann der ÖVP

Der längst dienende Obmann der ÖVP ist sicher einer der spannenderen Bundeskanzler Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten - ein das Spielerische liebender Politiker, dem es aber immer den Deut weniger um das Spiel als um seine Sache ging. Einer, der von einem katholisch-liberalen Milieu geprägt war und dann doch Jörg Haiders FPÖ in die Regierung hievte, einer, der aus dem Kammerstaat kam und dennoch die Sozialpartnerschaft in Bedrängnis brachte und ein glühender Europäer, dem just die Union mit ihren Sanktionen die persönlich wohl schwerste Niederlage zufügte.

Schüssel stammt aus finanziell nicht allzu begüterten Verhältnissen, wuchs bei seiner Mutter auf, besuchte ein Wiener Privatgymnasium, verdingte sich beim damals noch jungen Sender Ö3 in gewollt progressiven Programmen und schlug nebenbei einen ganz klassischen Studienweg, den des Jus-Studenten ein. Die Volkspartei wurde früh seine politische Heimat, im Parlamentsklub war er einer der Sekretäre, der Wirtschaftsbund, dessen Generalsekretär er wurde, war seine Karriereleiter.

Fast logisch war der weitere Weg des damals nur wegen seiner Mascherl-Vorliebe belächelten Polit-Talents. Wirtschaftsminister wurde Schüssel, den Parteivorsitz übernahm er 1995, damit auch Vizekanzleramt und Außenministerium. Seine Risiko-Affinität bewies Schüssel 1995, als er kaum Obmann schon zur Neuwahl rief. Der Wähler wollte aber weiter Franz Vranitzky im Kanzleramt sehen, eine Koalition von Schwarz mit Blau kam aus welchen Gründen immer damals noch nicht zustande, eher missmutig musste Schüssel weitere Jahre den Vizekanzler geben.

Große Stunde nach Platz 3

Dass seine große Stunde just nach der Nationalratswahl 1999 schlug, bei der er die ÖVP erst- und bisher letztmals auf Platz drei führte, ist die berühmte Ironie der Geschichte. Nach quälendem wie langem Poker scheiterten die rot-schwarzen Verhandlungen und Schüssel wurde sich alsbald mit der nach Bedeutung lechzenden FPÖ einig. Die nationalen und internationalen Proteste gegen diese Verbindung sind längst Legende.

Schüssel nahm die Kanzlerschaft auch unter diesen Umständen auf, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass diese Aufgabe nun endlich ihm zugefallen sei. Seine Reformpolitik polarisierte, die ständigen Querschüsse des eifersüchtig in Kärnten verbliebenen Haider ließen den scharfzüngigen Regierungschef zum Schweigekanzler mutieren. Schüssel hielt Kurs, umgeben von den immer selben Getreuen wie Wilhelm Molterer, Elisabeth Gehrer und Ursula Plassnik ließ der VP-Chef nach außen so ziemlich alles an sich abperlen, auch wenn er in seinen Zügen sichtlich von Jahr zu Jahr härter wurde.

Der freiheitliche Putsch von Knittelfeld wurde von Schüssel als Chance begriffen. 2002 war wohl der Wahlkampf seines Lebens. Schüssel, ansonsten im Umgang mit so ziemlich jedem zum Herablassenden neigend, wurde geradezu zum Volkstribun. Die Menschen liehen ihm zwar nicht unbedingt ihre Herzen, aber ihre Stimmen, denn sie wollten ihn, den Krisenfesten, als Kanzler behalten. Schüssel siegte fulminant, liebäugelte ein wenig mit den Grünen, um dann doch mit FPÖ bzw. BZÖ weiter zu tun in einer Koalition, die so mancher als ÖVP-Alleinregierung erlebte.

FPÖ-Freund Schüssel

Bis heute verteidigt Schüssel viele seiner freiheitlichen Regierungspartner. Ob er sich die von ihm dereinst als "Giganten" Apostrophierten ein wenig schön redet oder das tatsächlich glaubt, wird wohl nur er selbst wissen. Schüssel neigt zum Zynismus, andererseits wer will schon jene Zeit im Politikerleben schlecht reden, die er selbst geprägt hat?

Das Ende der Schüsselschen Herrlichkeit war 2006 erreicht, als die ÖVP einen nach der BAWAG-Affäre sicher geglaubten Sieg vergeigte und Alfred Gusenbauer zum Regierungschef einer rot-schwarzen Regierung wurde. Schüssel, dem auch im von ihm heiß geliebten Fußballspiel die Grätsche nicht fremd ist, tat nun als Klubobmann viel, um die Kanzlerschaft seines ihm gar nicht so unähnlichen Nachfolgers kurz zu halten. Bis heute verstehen wenige, warum er, dem soundso genügend Türen offenstanden, auch danach noch als einfacher Abgeordneter im Parlament sitzen blieb, ehe er sich wenig ruhmreich 2011 im Zug der Telekom-Affäre zurückzog und das, obwohl gegen ihn persönlich keine ernsthaften Vorwürfe vorlagen.

Zur Tagespolitik äußert sich Schüssel seither kaum noch, wenn, dann nur auf europäischem Level. In Aufsichtsräten saß und sitzt er ebenso wie in Thinktanks, heute noch verweilt er regelmäßig im Büro und ist an vielen Orten gerne gehörter Gesprächspartner. Das verwundert nicht. Schüssel ist ein blendender Redner, an den keiner seiner Kanzlernachfolger bisher heranreichte, er hat Breite, ist ebenso begeisterter Bergsteiger wie Karikaturist und Cello-Spieler, bewegt sich gerne in der Welt der Großen und lebt doch bescheiden seit Jahrzehnten in der gleichen Wohnung und erfreut sich an einer Almhütte in der Steiermark. Auch seine Ehe mit Psychologin Krista, der seine Tochter, die Schauspielerin und Intendantin Nina Blum, und ein Sohn entstammen, hat jeglichen politischen Stürmen standgehalten.

Keine Rückkehr in die Innenpolitik

Eine Rückkehr auf die innenpolitische Bühne etwa als Kandidat für die Hofburg hat Schüssel dieser Tage wieder einmal ausgeschlossen. Der 75-Jährige scheint sich - innenpolitisch gesehen - in der Rolle des stillen Betrachters gefunden zu haben.

Zur Person: Wolfgang Schüssel, geboren am 7. Juni 1945 in Wien, promovierter Jurist. Ab 1975 Generalsekretär des Wirtschaftsbunds, ab 1979 Nationalratsabgeordneter, ab 1989 Wirtschaftsminister. 1995 ÖVP-Obmann, Vizekanzler und Außenminister. Von Februar 2000 bis Jänner 2007 Bundeskanzler. 2007-2008 ÖVP-Klubobmann, danach bis 2011 wieder Abgeordneter zum Nationalrat. Schüssel ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohns.

(APA/red)

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