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Almanya

Die humorvolle Deutschwerdung der Familie Yilmaz: Den beiden Filmemacherinnen Yasemin und Nesrin Samdereli gelingt ein erfrischend menschlicher Perspektivwechsel auf eine Migrationsstory - Ab 13. Mai im Kino.
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Willkommen in Deutschland – dem Land der Riesenratten an Leinen, der Toilettensitze und der weiblichen Müllmänner: So präsentiert sich die Bundesrepublik in den 1960ern Hüseyin Yilmaz (Fahri Ögün Yardim), dem 1.000.001. Gastarbeiter, der im Wirtschaftswunder ins Land gerufen wurde. Und da es finanziell gut läuft und die Kinder daheim Schulprobleme haben, holt er schließlich seine ganze Familie nach Almanya. Die Geschichte dieser generationenübergreifenden und kulturüberschreitenden Sippe erzählen die beiden Schwestern Yasemin (Regie/Drehbuch) und Nesrin Samdereli (Drehbuch) in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm “Almanya – Willkommen in Deutschland”. Ab 13. Mai in den heimischen Kinos.

Gekonnt verweben die beiden Samdereli-Schwestern dabei zwei Zeitebenen. Als Rahmenhandlung dienen die zur Großfamilie herangewachsenen Yilmaz’ der Gegenwart, die gemeinsam mit Opa Hüseyin (Vedat Erincin) wenn auch unter Protest zur Reise in die einstige Heimat aufbrechen, nachdem dieser im alten Dorf ein Haus gekauft hat. Im Diskurs der Generationen entfaltet sich ein Porträt der verschiedenen Identitätsebenen jenseits der klaren Nationalitätszuordnung. Der erst sechsjährige Cenk (Rafael Koussouris) wird bei der Auswahl der Fußballmannschaften in der Schule weder zur deutschen noch zur türkischen gewählt, da er dank deutscher Mutter die Sprache seines Großmutters nicht mehr spricht. Zur Aufmunterung erzählt ihm Cousine Canan (Aylin Tezel) die Geschichte ihres Familienclans in Deutschland.

Da lernt Mama von ihren eigenen kleinen Neubürgern, wie man Weihnachten feiert, auch wenn das Verpacken der Geschenke anfangs noch Mühe bereitet. Zugleich verbreitet der hölzerne tote Mann, der an ein Kreuz genagelt in der Küche der Mietwohnung hängt, großen Schreck, belegt er aus Sicht der Kinder doch die Fama, dass die Deutschen Menschen essen. Zugleich dekonstruiert der Film seine eigene Struktur, wenn er die private Oral History zumindest in Teilen als Geschichte entlarvt, wenn schließlich offenbar wird, dass Oma einst nicht als Unberührbare von Opa entführt wurde, sondern bereits schwanger war.

Die strikte Beibehaltung der Perspektive der Migranten auch beim Kontakt mit der autochtonen Bevölkerung gelingt den Samerelis mit dem Trick, die Deutschen in einem putzeligen Fakedeutsch sprechen zu lassen, während die Türken klares Deutsch reden. Neben derlei Einfällen und der geschickten Geschichtenverzahnung ist das Schauspielensemble einer der großen Pluspunkte von “Almanya”. Die – von einigen Cameoauftritten deutscher Stars wie Katharina Thalbach oder Axel Milberg abgesehen – unbekannte Riege überzeugt als Familie mit allen Höhen und Tiefen. Dabei gelingt es, den schauspielerischen Schwachpunkt manch anderer Filme zu umschiffen und eine ganze Reihe großartiger Kinderdarsteller auf die Leinwand zu bringen.

So offenbaren die beiden Filmemacherinnen, gestählt durch die Erfahrung als Autorinnen für die TV-Erfolgsserie “Türkisch für Anfänger”, einen erfrischenden Perspektivwechsel auf die leidige Integrationsdebatte, die sich meist zwischen den Polen Liberalität und Anpassungsdruck im Kreise dreht und nur die Sicht der Mehrheitsgesellschaft widerspiegelt. Den Samdereli-Schwestern gelingt hingegen mit leichtem Humor und menschlichem anstatt politischem Ansatz, die Kluft zu überbrücken, dass statistisch gesehen Türken kaum deutsche und Deutsche kaum türkische Filme ansehen. Verdientermaßen erhielten die beiden Künstlerinnen für ihre Einwandererkomödie beim deutschen Filmpreis die Silberne Lola in der Kategorie bester Film und den Drehbuchpreis. (Martin Fichter/APA)

www.almanya-film.de

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