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"Alle wussten: Es ist schlimm"

Tokio/VN - Der in Tokio lebende Lustenauer Dieter ­Haberl erlebte den Ausnahmezustand nach dem Erdbeben.

Seit 14 Jahren lebt Dieter Haberl, Ex-Eishockeystürmer des EHC Lustenau, mit seiner amerikanischen Frau in Tokio. Er ist dort Präsident von Reebok Japan, einer Tochter des Adidas-Konzerns. „Wenn du in Tokio lebst, dann lebst du auch mit Erdbeben. Es gibt immer wieder welche. Gebäude und Möbel wackeln ein bisschen. Aber dann ist es vorbei.“ So schildert Haberl das Leben mit der Erdbebengefahr in der japanischen Millionen-Metropole.

Sehr diszipliniert

Doch gestern herrschte auch für den 48-jährigen Lustenauer in Tokio alles andere als Alltag. „Es war gegen 14.45 Uhr unserer Zeit. Plötzlich wackelten wieder einmal Möbel und Gebäude. Nichts ungewöhnliches. Doch im Gegensatz zu den so oft schon erlebten Ereignissen dieser Art, hörte es dieses Mal nicht mehr auf. Es ging weiter und weiter. Und es wurde heftiger. In den Gesichtern aller Personen in meiner unmittelbaren Umgebung konnte man ablesen: Das war sehr schlimm.“ Mechanisch und sehr diszipliniert sei es anschließend zugegangen. „Wir bewegten uns alle sehr geordnet nach draußen auf die Straße. Dort ist es sicherer. Zumal in unserer Gegend keine so großen Hochhäuser sind“, dokumentiert Haberl die Minuten nach dem Beben.

Volle Straßen

Auf den Straßen Tokios war die Hölle los. „Die U-Bahn fuhr nicht, im Straßenverkehr ging nichts mehr weiter, die meisten Menschen hielten sich im Freien auf. Ich habe noch nie so viele Leute in den Straßen Tokios gesehen.“ Dieter Haberl tat anschließend das, was viele Tausende auch taten. „Ich machte mich zu Fuß auf den Nachhauseweg.“ Nach eineinhalb Stunden kam er dort an. Bevor er in die Wohnung ging, machte er noch einen Abstecher in den Amerikanischen Club um die Ecke. „Ich traf dort meine Frau und zahlreiche Bekannte. Alle starrten wir gebannt auf die vielen TV-Schirme im Lokal. BBC, CNN, lokale Sender – sie alle hatten natürlich nur ein Thema. Und es gab im Gespräch natürlich auch nur dieses eine Thema.“

Mitfühlen

Es herrsche eine tiefe nati­onale Betroffenheit, beschreibt Dieter Haberl die Stimmung in der japanischen Hauptstadt. „Tokio hat wohl das schlimmste Erdbeben seit 1923 erlebt, als damals die Stadt zerstört wurde. Doch bei uns ist dieses Mal fast nichts passiert. Aber im Norden schaut es schlimm aus. Und es sind viele Menschen in Tokio, die im Norden Verwandte, Bekannte und Freunde haben. Auch ich habe dort Freunde.“ Verzweifelt hätten viele versucht, Kontakt mit den Angehörigen im Norden aufzunehmen. „Aber es ging kaum mehr was, weil die Netze überlastet waren.“

Haberl fühlt mit den Japanern und allen Betroffenen. „Die Japaner sind so höfliche, zuvorkommende Menschen mit einem Sinn für Teamwork. Ich kann nur hoffen, dass es auch im Norden
nicht gar so schrecklich gekommen ist, wie vielleicht befürchtet.“

Zur Person

Dieter Haberl

Geboren: 6. Mai 1962
Wohnhaft: Tokio
Beruf: Manager
Familienstand: verheiratet
Hobbys: Eishockey, Kultur
Lieblingsspeise: Luschnouar Riebl

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