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Alice Schwarzer wird 60

Sie ist die Galionsfigur der deutschen Frauenbewegung und für fast 80 Prozent der Bevölkerung ein Begriff. Alice Schwarzer, noch so streitbar wie umstritten.

Alice Schwarzer wurde schon als „Männerschreck“ oder „frustrierte Tucke“ beschimpft. „Mein eigenes Beispiel zeigt, dass eine Frau auch unbequem sein kann, dann zwar nicht immer dafür geliebt wird, aber auch nicht gleich geköpft“, bilanziert Schwarzer, die am 3. Dezember 60 Jahre alt wird.

Unzertrennbar verbunden ist Schwarzers Name mit „EMMA“, der weltweit einzigen autonomen feministischen Zeitschrift, die sie seit 1977 in Köln herausgibt. “„EMMA“ ist mein Kind.“ Seit fast 26 Jahren deckt die Zeitschrift Missstände auf und zettelt Kampagnen an. “„EMMA“ hat 1978 erstmals den Missbrauch von Kindern angeprangert und sich von dem allgemeinen Weiter-Verschweigen nicht einschüchtern lassen“, erinnert sich die Trägerin des deutschen Bundesverdienstkreuzes.

Vor den derzeit diskutierten Gefahren des islamischen Fundamentalismus habe sie bereits 1979 gewarnt, sagt Schwarzer. “20 Jahre lang war „EMMA“ das einzige deutschsprachige Blatt, das regelmäßig über das Problem berichtet hat: im Iran, in Algerien, Afghanistan – oder auch mitten in Deutschland.“

Für Aufsehen sorgte ihre PorNo-Kampagne gegen die Entwürdigung von Frauen ab Ende der achtziger Jahre. „Pornografie ist das Propagieren von Frauenhass und das Verknüpfen von Lust mit Erniedrigung und Gewalt.“ Dabei legte sich die Journalistin und Buchautorin gerichtlich 1978 mit dem Nachrichtenmagazin „Stern“ an. 1994 wurde Schwarzer vom Verlag des Akt-Fotografen Helmut Newton beklagt, da sie einige seiner Bilder gedruckt als „sexistisch und rassistisch“ bezeichnet hatte.

Insgesamt gute Noten gibt Schwarzer derzeit dem männlichen Geschlecht, vor allem den jüngeren Männern, nachdem sich in den vergangenen Jahren „ungeheuer“ vieles positiv verändert habe. „Umfragen beweisen: Jeder dritte Mann ist für die Emanzipation der Frauen – und nur noch jeder andere dritte dagegen. Die sollten wir aussterben lassen.“ Sogar Machos schieben heute Kinderwagen durch die Gegend, freut sich die Feministin.

Aber dennoch bleibe einiges zu ändern: „Wenn Männer Menschen werden wollen, müssen sie auch fürsorglicher werden und in Frauen und Kinder investieren.“ Für das weibliche Geschlecht heißt ihr Rat:
„Frauen müssen lernen, nicht immer geliebt werden zu wollen.“

Schwarzer hatte zunächst während ihres Studiums in Paris als freie politische Korrespondentin gearbeitet und sich dort in der Frauenbewegung engagiert. Mitte der siebziger Jahre kehrte sie zurück nach Deutschland und wurde auf einen Schlag bekannt, als sie 1975 ein scharfsinniges Duell im Fernsehen mit der Anti-Feministin Esther Vilar („Der dressierte Mann“) lieferte. Kurz darauf veröffentlichte sie das Buch „Der kleine Unterschied und seine Folgen“ über die Rolle der Sexualität im Machtkampf der Geschlechter. Der Bestseller wurde in elf Sprachen übersetzt – und sorgte für heftigste Debatten.

Viel-Schreiberin Schwarzer hat für die Zukunft „schon wieder viele Buch-Projekte im Kopf“. Aber: „Dafür müsste ich bei der „EMMA“ ab und zu etwas abkömmlicher sein. Ich hoffe ja, dass sich meine Nachfolgerin endlich bei mir meldet“. Und so wird auch ihre Geburtstagsfeier „ganz klein und privat“ ausfallen. Ihr Geburtstagswunsch? „Dass meine zweite Lebenshälfte genau so lebensfroh und gesund wird wie die erste.“

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