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Alice Schwarzer provoziert noch immer

Natürlich feiert sie am 3. Dezember nicht einfach ihren 60. Geburtstag. Sie wird 60 Jahre alt - als Frau. Falls jemandem der Unterschied nicht klar sein sollte.

Alice Schwarzer hat vorgebaut, rechtzeitig vor ihrem runden Geburtstag am kommenden Dienstag. „Natürlich tönt 60 bei einer Frau noch immer ganz anders als bei einem Mann“, verkündete Deutschlands bekannteste Feministin jüngst in einem Interview. „Aber vor gar nicht langer Zeit durfte eine Frau ja nicht mal älter als 30 werden. Wir wollen uns also nicht beschweren. Ich schon gar nicht.“

Nicht beschweren? Wie kaum eine Zweite hat Schwarzer im Namen der Frauen protestiert, provoziert und polarisiert. Die einen hassten sie als „Kampf-Emanze“, „Schwanz-ab-Schwarzer“, „Macho im Rock“. Die anderen verehrten sie als „Ikone des bundesrepublikanischen Geschlechterkampfes“. Für oder gegen Schwarzer – dazwischen blieb lange Zeit wenig. Der Feind lauerte überall, nicht nur im männlichen Lager.

Mehr als 30 Jahre ist es her, seit Schwarzer sich mit dem „Stern“-Artikel „Ich habe abgetrieben“ ins Rampenlicht begab. Öffentlich bekannten sich 374 Frauen zur Abtreibung – damals ein Skandal. Schwarzer blies zum Sturm gegen den Abtreibungs-Paragraphen 218, schrieb sich mit dem Pamphlet „Der kleine Unterschied und seine Folgen“ in die Bestseller-Listen. Die von ihr vor 25 Jahren gegründete und bis heute geführte feministische Frauenzeitschrift „Emma“ wurde zum Synonym für einen kämpferischen Feminismus.

Wenn Alice Schwarzer am Dienstag sechzig wird, gelten die Glückwünsche vor allem der feministischen Symbolfigur, die sie bis heute ist. Denn als Privatperson blieb Schwarzer mit ihrem persönlichen Verhältnis zu Frauen bewusst eine Unbekannte – was ihr viele Weggefährtinnen ankreideten. Schließlich propagierte Schwarzer selbst den Slogan: „Das Private ist politisch.“

Doch es ging auch ohne „Homestories“. Schwarzer erfreut sich nach wie vor einer Bekanntheit, von der viele Politiker nur träumen können: Rund zwei Drittel der Bundesbürger wussten bei einer Umfrage zum „Emma“-Jubiläum vor einigen Monaten etwas mit ihrem Namen anzufangen. Ihr TV-Duell gegen Werbesternchen Verona Feldbusch („Brain meets Body“) zog mehr als drei Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Doch Freude an explosivem Promi-Talk ist das eine – Begeisterung für traditionellen Feminismus etwas anderes. Die Auflage von „Emma“ ist seit der ersten Ausgabe auf einen Bruchteil geschrumpft. Da half es wenig, dass sich Viva-Moderatorin Charlotte Roche als Vertreterin der jüngeren Generation öffentlich für das Blatt begeisterte und Schwarzer in ihre Sendung bat.

Sie sei heute „gelassener“ geworden, sagt Schwarzer über sich selbst. Ihr Emanzen-Engagement hat vieles ermöglicht in Deutschland – und manchen Kampf überflüssig gemacht. Früher kam es einem Outing gleich, sich mit dem Frauensymbol sehen zu lassen. Heute trägt frau das Emblem gerne auch als Modeaccessoire zu Minirock und hohen Absätzen: Für Alice Schwarzer gewiss kein Grund, sich in den Vorruhestand zu verabschieden.

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