Alfred Gusenbauer - Ein Sandkastentraum könnte wahr werden
Als er sich danach mit den eigenen Gewerkschaftern anlegte, schienen seine Chancen auch nicht gerade zu steigen. Und als dann noch das intern umstrittene Bündnis mit dem Liberalen Forum aufkam, wähnten den SPÖ-Chef wohl viele endgültig verloren. Nun, am 1. Oktober, kann wohl nur noch ein Bündnis der ÖVP mit beiden sich freiheitlich nennenden Parteien verhindern, dass der Niederösterreicher es im zweiten Anlauf doch schafft, sein neues Domizil am Ballhausplatz aufzuschlagen.
Kanzler werden wollte er ja schon lange, wie wir seit dem Wahlkampf wissen. In einer Ybbser Sandkiste habe er schon entsprechende Wünsche geäußert, berichtete Mama Gertrude einer Zeitung – aus früher Bewunderung für Bruno Kreisky, wie er selbst später anfügte.
Dass es damit etwas wird, war nicht unbedingt vorgezeichnet. Gusenbauer stammt aus kleinen Verhältnissen, einer Arbeiterfamilie aus Ybbs an der Donau, wie er gerade in Wahlkampf-Zeiten immer wieder gerne betont. Mit Ehrgeiz und Fleiß schaffte es Gusenbauer, der sich als Kind unter anderem mit Ministrieren Taschengeld verdiente, trotzdem an die Uni, dass es ihm beruflich nie schlecht ging, dafür sorgte die Partei, in der er sich flott hoch arbeitete.
1984 bis 1990 legte er als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend die Basis für seine spätere Karriere und schuf sich das erste politische Standbein. Das berufliche Standbein bildete daneben die SP-dominierte Arbeiterkammer Niederösterreich, für die der Doktor der Politikwissenschaft lange Jahre tätig war. 1991 wurde Gusenbauer dann ein Bundesratsmandat zu Teil, 1993 macht ihm mit gerade einmal 33 einen Sitz im Nationalrat frei, den er bis heute ohne Pause hält.
Ab 1999 ging es dann schnell, Landesgeschäftsführer in Niederösterreich, 2000 schon Bundesgeschäftsführer und dann wenige Wochen später, exakt am 29. April 2000, bereits Parteivorsitzender und damit in einer Reihe klingender Namen von Adolf Schärf über Bruno Kreisky bis Franz Vranitzky. Den Posten bekam er freilich nur, weil sich der Liebling der Linken, Ex-Innenminister Caspar Einem, und jener der Rechten, Karl Schlögl, neutralisierten.
Kaum im Amt kam Gusenbauer die wenig dankbare Aufgabe zu, den unter Viktor Klima angehäuften Schuldenberg der Partei abzubauen. Zusätzlich sah sich der junge Vorsitzende, Vater einer Tochter und mit deren Mutter Eva Steiner seit Jahren liiert, mit einer Partei konfrontiert, die nach Jahrzehnten in Regierungsverantwortung mit dem Wort Opposition wenig anzufangen wusste. Auf den Kopf fielen Gusenbauer aber auch eigene Unzulänglichkeiten. Vor allem sein unglückliches Champagnisieren in Frankreich während der Sanktionszeit war wohl ein mitentscheidender Faktor, warum sich der SPÖ-Chef lange keinen Weg in die Herzen der Österreicher bahnen konnte.
Eines hat Gusenbauer aber in den sechs Jahren seines Vorsitzes gelernt. Erstens lässt er sich von den eigenen Parteifreunden nicht ungestraft öffentlich abwatschen, auch wenn er ihnen 2002 Platz eins in der Wählergunst verloren hat, und zweitens hat der manchmal präpotent wirkende SPÖ-Chef verstanden, was Bürgernähe heißt. Folgerichtig tourte der SPÖ-Chef auch in dieser Wahlkampagne unermüdlich durchs Land, ob es nun im Rahmen eine sommerliche Berg-Tour war oder bei der Tour de Chance im letzten Monat vor dem Urnengang.
Dabei ist Rotwein-Liebhaber und Gourmet Gusenbauer auch deutlich lockerer geworden, wenn es darum geht, mit dem kleinen Mann auf Tuchfühlung zu gehen. Dauerhändeschütteln und Schmäh führen mit Anhängern und Interessierten sind ihm scheinbar kein Gräuel mehr, wäre auch blöd, wenn eine Kampagne darauf ausgelegt ist, die Arroganz der Macht zu beenden. Freilich hat auch die Volksnähe eines Alfred Gusenbauer ihre Grenzen. Mit den Edlseern schunkelte er auch nach vier Wochen Kampagnen-Begleitung nur mit angespannter Miene mit.
Dass Gusenbauer Kanzler sein kann, haben schon vor dieser Wahl wenige bezweifelt, dass ihn die Wähler auch dazu machen, dafür umso mehr. Das heutige Ergebnis bedeutet für den SPÖ-Vorsitzenden in jedem Fall eine innerparteiliche Stärkung. Blöde Sprüche, wie sie des öfteren aus den Ländern kamen, dürften seltener werden, egal ob er jetzt Kanzler wird oder nicht. Fix ist: Die politische Karriere des Alfred Gusenbauer ist mit dem 1. Oktober nicht zu Ende, auch wenn das so mancher selbst in den eigenen Reihen im Vorfeld erhofft hatte.