AA

Alcopops verführen zu mehr Alkoholkonsum

Nach Ansicht des Forschers Prof. Klaus Hurrelmann sind die bunten Trend-Getränke mit dafür verantwortlich, dass der Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland wieder steigt.

Die Farben der Flaschen sind hellgrün, dunkelrot, sonnengelb oder weiß, damit sie im Discolicht leuchten. Die Namen auf den Flaschen erinnern an Ausland und Abenteuer, ihr Inhalt schmeckt süß und spritzig. Alcopops ist der Überbegriff für die neuen, trendigen Alkohol-Mixgetränke. Sie begeistern zunehmend Jugendliche, obwohl sie erst ab 18 Jahren getrunken werden dürfen. Nach dem Genuss von drei Flaschen der Alcopops hat man rund sechs Schnäpse intus.

Nach Ansicht des Forschers Prof. Klaus Hurrelmann sind die bunten Trend-Getränke aus Schnaps und Limonade mit dafür verantwortlich, dass der Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland nach jahrelangem Abwärtstrend wieder steigt. „Wie in anderen europäischen Ländern haben die Getränke auch hier stark eingeschlagen“, sagt der Experte von der Universität Bielefeld. Er betreut den deutschen Teil einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Alkoholkonsum von Jugendlichen.

Für den Anstieg werden in der Studie zwei Gründe genannt: Einmal habe ein früheres Einstiegsalter eine leichte Steigerung des Konsums zur Folge. Als viel bedeutender wird jedoch das veränderte Angebot an alkoholischen Getränken eingestuft. Alcopops zielten zunehmend auf eine sehr junge Konsumentengruppe ab, die die Getränke gar nicht zu sich nehmen dürften. „Auffallend ist, dass bereits 3,6 Prozent der Elfjährigen angeben, regelmäßig Alcopops zu trinken“, sagt Hurrelmann. Bei den 15-Jährigen greifen bereits 14,7 Prozent regelmäßig zu den Fertig-Cocktails. Obwohl die Getränke erst seit wenigen Jahren in Deutschland auf dem Markt sind, stehen sie hinter Bier an zweiter Stelle bei den Jugendlichen – weit vor Spirituosen, Wein und Sekt.

„Diese Produkte sind von der Alkoholindustrie gezielt dazu entwickelt worden, um Jugendliche an Alkohol heranzuführen“, kritisiert der Sprecher der Verbraucherorganisation Foodwatch, Carsten Direske. Die extrem aggressive Werbung, das Design und der Geschmack seien speziell auf Jugendliche abgestimmt – Erwachsene würden die Produkte oft gar nicht kennen. „Die Getränke sehen bunt und harmlos aus und schmecken wie Fruchtsaft – wie zufällig sind fünf bis sechs Prozent Alkohol enthalten“, sagt Direske von Foodwatch. Von der Saftflasche zum Schnaps sei es jetzt dank Alcopops ein fließender Übergang.

Vorwürfe, die die Alkoholindustrie zu entkräften versucht. Die Bacardi Deutschland GmbH mit Sitz in Hamburg – Hersteller der Mix- Getränke „Bacardi-Breezer“ und „Bacardi-Rigo“ – erklärt, gemeinsam mit dem Unternehmen Diageo („Smirnoff Ice“) seien alle Werbefilme mit einem klaren Hinweis überarbeitet worden. Bis Ende des Jahres sollen alle Alcopops-Flaschen den Aufdruck „Ab 18“ tragen. „Unsere Zielgruppe für diese Getränke sind klar junge Erwachsene zwischen 20 und 30“, heißt es beim Unternehmen.

Der Absatz der Mix-Getränke verdreifachte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr (31. März) bei Bacardi nach eigenen Angaben auf mehr als 100 Millionen Einheiten. Vom gesamten Absatz machen „Rigo“ und „Breezer“ bereits 56 Prozent aus. Beim Unternehmen Diageo hat im abgelaufenen Geschäftsjahr (30. Juni) „Smirnoff Ice“ fast die Hälfte zum Gesamtumsatz beigetragen.

„Wenn die Hersteller die Jugendprävention ernst nehmen, müssten sie die Produkte vom Markt nehmen“, fordert Direske. Beispiele in anderen Ländern hätten gezeigt, dass die bunten Flaschen sich zu einem großen Problem ausweiten könnten.

Die Schweiz hat bereits auf den erhöhten Konsum reagiert: Der Nationalrat hat nach Medienberichten Ende September beschlossen, die Steuern auf alkoholische Süßgetränke zu vervierfachen. Ob eine Fertig-Cocktail- Steuer auch in Deutschland kommt, ist unklar. Die Drogenbeauftragte der Regierung, Marion Caspers-Merk, hat eine Studie in Auftrag gegeben, die klären soll, wie viele Minderjährige in Deutschland Alcopops trinken. „Sollten die Ergebnisse die Vermutung bestätigen, dass Alcopops bei Jugendlichen ein Renner sind, werden wir uns weitere Schritte, wie eine Sondersteuer oder eine hohe Pfandbelegung, offen halten.“

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Alcopops verführen zu mehr Alkoholkonsum
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.