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Ägypten: Kriegsszenen in Urlaubsparadies

Bei der Terrorserie in dem ägyptischen Badeort Dahab sind nach Angaben des Gesundheitsministers Hatem al-Gabali 18 Menschen getötet und 62 weitere verletzt worden.  

Der Tag danach beginnt mit einem betörenden, einem trügerischen Naturschauspiel. Langsam wandert die Sonne in den wolkenlosen Himmel, lässt die Felsabhänge des Sinai-Gebirges in rotem Licht erglühen und macht verständlich, warum dieser Flecken Erde Besucher von überall her anzieht. Doch an diesem Dienstagmorgen ist das Naturidyll nurmehr die Kulisse für ein Horrorszenario. Drei Bomben zerissen in der Nacht den Traum vom unbeschwerten Urlaub – ein Traum, der für mindestens 18 Menschen tödlich endete.

Der deutsche Arzt Michael Hartlich ist einer derjenigen, für den der Traum zum Albtraum wurde. Fassungslos berichtet er, was er in der Nacht erlebt hat. Als die Explosionen die Wüstennacht erzittern lassen, eilt er nach draußen. Was nun passiert, gehört für einen Arzt zum Beruf, und doch treibt es ihm die Tränen in die Augen. „Es war wie im Krieg. Sowas habe ich noch nie gesehen, überall Blut, ein Baby, ein Kind, der Geruch verbrannter Haut, verbrannter Haare.“ Hartlich versucht verzweifelt zu helfen. „Ein Baby mit abgerissenem Bein habe ich zur Operation nach Sharm el-Sheikh geschickt. Ein Junge starb in meinen Armen. Er hatte schwere Brustverletzungen. Er hatte in dem China-Restaurant gesessen.“

Das Unheil reißt tiefe Wunden in Dahab. Die Bomben explodierten im Strandviertel, sie trafen zwei Restaurants und einen Supermarkt. Auf dem Asphalt trocknen Lachen von Blut. Fliegen schwirren darüber. Das Restaurant „Al Capone“ ist verwüstet. Wie durch ein Wunder haben einige Gläser, gefüllt mit bunten Cocktails, die Detonation überstanden. Über den Touristenbasar legt sich schwerer Geruch. In einem Parfümladen sind Flakons zu Bruch gegangen, Gewürzstände wurden durch die Detonation auseinandergerissen. Geschäftsbesitzer durchsuchen verzweifelt die Trümmer. „Ich sah viele Tote, viel Chaos. Der Laden wurde komplett zerstört“, sagt Ibrahim Sadek, der ein Internetcafe betreibt.

Kenner haben Dahab immer für seine entspannte Atmosphäre gerühmt. Keine Betonburgen bis zum Strand, sondern kleinere Unterkünfte mit ursprünglichem Charakter, die viele junge Rucksacktouristen anzogen. Dahab ist das arabische Wort für Gold, und Gold ist die Farbe des Strandes, der die Menschen hierher lockt. Die Abgelegenheit bedeutet aber auch, dass Dahab für einen Katastrophenfall schlecht vorbereitet ist. Fassungslos berichtet der Arzt Hartlich über das örtliche Krankenhaus, wo er die ganze Nacht über gearbeitet hatte. Es sei dort „schlimmer als in einem Dschungellazarett“. Nicht einmal Wasser zum Händewaschen habe es gegeben. Unter den Toten ist ein fünfjähriges deutsches Kind, weitere fünf Ausländer kamen ums Leben.

Es ist nicht so, dass die Touristen völlig ahnungslos auf den Sinai kamen. Die Anschlagsserie von Dahab war die dritte innerhalb von 18 Monaten. Im Juli 2005 starben etwa 70 Menschen in Sharm el-Sheikh, im Oktober 2004 kamen in Taba 34 Menschen ums Leben. Viele Ausländer ignorieren das Risiko. „Die Küste auf und ab gab es hier Bomben“, sagt der neuseeländische Tauchlehrer Jason Lovett, der seit drei Jahren hier arbeitet. „Man muss schon ziemlich blöd sein, wenn man denkt, hier könnte nichts passieren.“ Der 60-jährige Franzose Jean-Marie Simon reist regelmäßig nach Dahab. „Wir kamen hierher, weil es so ruhig und so ägyptisch ist. Ich glaube aber nicht, dass wir wiederkommen.“verletzt worden waren, hat sich niemand bekannt.

Lovett, Simon und die anderen Touristen haben anderswo eine Heimat, in die sie zurückkehren können. Für die Einwohner von Dahab aber brechen schwere Zeiten an. Der Tourismus ist ihre Lebensgrundlage, er hat der sonnendurchglühten Rotmeerküste ein bescheidenes Maß an Wohlstand gebracht. „Sie haben unsere Jobs und unseren Ruf zerstört“, erregt sich der Masseur Tarik Ibrahim über die unbekannten Täter. „Es wird keinen Tourismus in Dahab mehr geben“ seufzt der Juwelier Hani Sadek Michail. Draußen, vor der Küste, liegt an diesem Morgen noch ein Kreuzfahrtschiff vor Anker. Davor steigen Taucher an den Strand. Sie tragen Säcke mit sterblichen Überresten der Opfer, die durch die Wucht der Explosion ins Meer geschleudert wurden.


Acht Festnahmen nach Terroranschlägen

Die Landesbehörden haben bisher zehn Verdächtige festgenommen. Unter ihnen seien drei Informatiker aus Kairo, die am Vorabend der Attentate angereist seien und Dahab nur eine knappe Stunde später wieder verlassen hätten, sagte ein Sprecher der Sicherheitskräfte am Dienstag. Sie seien an einer Kontrollstelle mit falschen Papieren aufgefallen. Zudem hätten sie für die An- und Abreise zwei verschiedene Autos benutzt. Sie seien auf dem Heimweg festgenommen worden. Alle zehn Verdächtigen würden in Kürze vernommen.

Am Montagabend waren in der Ausgehzone des Badeorts Dahab auf dem Sinai drei Bomben explodiert. Unter den 18 Toten ist auch ein Zehnjähriger aus Baden-Württemberg, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Dienstag in Berlin bestätigte. Die Mutter des Buben und ein Begleiter wurden verletzt, ebenso wie dutzende weitere Menschen. Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand. Mindestens zwei der Sprengsätze wurden offenbar von Selbstmordattentätern gezündet.

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