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Afrika: Flug in die Finsternis

Kurz nach dem Start blieb Flug Bellview 210 stumm. Ein kurzes Notsignal aus dem Cockpit noch, das war’s. Danach war die zweistrahlige Boeing 737 der Fluggesellschaft Bellview Airlines vom Radarschirm verschwunden.

Mit 116 Menschen an Bord – darunter ranghohen Regierungsbeamten des westafrikanischen Staates – galt der Jet 14 Stunden als vermisst.

In der Finsternis der Nacht hatte eine Suche kaum Aussicht auf Erfolg. Zumal die Abflugroute den Piloten nach dem Start einen Abstecher übers offene Meer vorschreibt, bevor sie auf ihren Kurs eindrehen können.

Nach anfänglichen Spekulationen über eine mögliche Entführung stellte sich am Sonntag die traurige Wahrheit heraus: Der am Samstagabend um 20.45 Uhr Ortszeit gestartete Jet war noch über dem Festland abgestürzt. Suchtrupps fanden das Wrack nahe der verschlafenen Kleinstadt Kishii in Südwest-Nigeria. Die Hoffnung auf Überlebende bekam schnell Nahrung durch die Tatsache, dass das Wrack nicht zerbrochen, sondern weitgehend intakt war. Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo äußerte sich schockiert über den Unfall. Für ihn war es innerhalb nur weniger Stunden der zweite Schicksalschlag: er hatte am Morgen erfahren, dass seine Frau Stella im Alter von 59 Jahren nach einer Operation in Spanien gestorben war.

Für Obasanjos Modernisierungsbestrebungen der Luftfahrt im Lande stellt der Absturz einen Rückschlag dar. Immerhin war mit Bellview Airlines eine Fluggesellschaft betroffen, deren Image in Sachen Sicherheit relativ gut war. Auch die Boeing 737 gilt als Flugzeugtyp, das weltweit recht zuverlässig im Einsatz ist. Kein Wunder, dass die Airline in dem Land – das als Schwarzafrikas größter Ölproduzent viele ausländische Kontraktarbeiter anlockt – gerne von Politikern und Ausländern für Inlandsflüge genutzt wurde.

Der jüngste Unfall rückt die erklärten Ziele der afrikanischen Politiker, bis 2015 die Unfallbilanz spürbar zu verbessern, in weite Ferne. Denn an Afrikas Himmel lauert Gefahr. Der Internationale Luftverkehrsverband IATA, der mit 265 Mitgliedsfirmen 94 Prozent des weltweiten Linienverkehrs repräsentiert, legte gerade ein Sicherheitsprogramm für seine 39 Mitglieds-Airlines in Afrika auf. Noch vor wenigen Monaten hatte auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki die Zustände auf Afrikas Flughäfen angeprangert. „Der schlimme Zustand der Luftfahrtindustrie lässt eine Menge zu wünschen übrig“, hatte er auf einer internationalen Konferenz kritisiert.

Ein Viertel aller Unfälle mit westlichen Flugzeugen weltweit entfällt auf den Kontinent, obwohl er gerade mal 4,5 Prozent zum Weltluftverkehr beiträgt. Noch immer sind dort zahlreiche fliegende Oldtimer bei minimaler Wartung und maximalem Einsatz unter rauesten Bedingungen unterwegs. Ein Großteil der gut 4.000 Flugplätze und Landestreifen des Kontinents hat zudem kaum Infrastruktur. Moderne Navigationsanlagen sind Mangelware – meist vermeiden die Piloten Kollisionen durch eigene Positionsmeldungen im Funk.

 

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