AA

Afghanistan: Seoul verhandelt wieder direkt mit Taliban

Im Geiseldrama um 19 Südkoreaner werden am Donnerstagnachmittag die ersten direkten Gespräche seit der Freilassung von zwei Frauen am Montag geführt. 

Laut dem Vermittler und Stammesältesten Haji Zahir finden die Verhandlungen im Büro des Roten Halbmondes in der Provinzhauptstadt Ghazni statt. Ein Taliban-Sprecher hatte angekündigt, die Taliban wollten in den Gesprächen die Freilassung von acht inhaftierten Gesinnungsgenossen fordern. Die afghanischen Behörden haben entsprechende Forderungen bis dato zurückgewiesen. Unterdessen ging eine US-geführte Offensive gegen die Taliban in Tora Bora weiter.

Es sei der selbe Verhandlungsort, an dem sich beide Seiten nach der Freilassung von zwei weiblichen Geiseln zuletzt am Montag getroffen hätten, sagte Zahir. Die Gespräche begannen aus ungeklärten Gründen nicht wie ursprünglich geplant um 10.00 Uhr Ortszeit (07.30 Uhr MESZ), sondern am frühen Nachmittag. Die beiden als Zeichen des „guten Willens“ von den Taliban freigelassenen Frauen hielten sich am Donnerstag weiterhin in Afghanistan auf, wo sie auf dem US-Militärstützpunkt Bagram ärztlich versorgt wurden. Am 19. Juli waren insgesamt 23 südkoreanische christliche Aufbauhelfer verschleppt worden, zwei Männer der Gruppe wurden von den Entführern später erschossen.

Während sich die südkoreanischen Verhandler in Ghazni um die Freilassung der restlichen Geiseln bemühen, hat Berlin die Fortsetzung der deutschen Afghanistan-Politik ungeachtet der jüngsten Anschläge angekündigt. Gernot Erler, deutscher Vize-Außenminister(SPD), sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, das Entsetzen und die Trauer über den Tod der drei deutschen Polizisten seien zwar groß, aber ein „ein strategischer Wechsel für das Engagement in Afghanistan“ werde „allgemein abgelehnt“. Auch der deutsche Stabschef im Hauptquartier der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF), Generalmajor Bruno Kasdorf, bekräftigte das deutsche Engagement in Afghanistan.

Am Mittwoch waren drei deutsche Polizisten in der Nähe der Hauptstadt Kabul gestorben, darunter laut „Bild“-Zeitung ein langjähriger Personenschützer der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Eine Trauerfeier soll am Samstag im Berliner Dom stattfinden, daran wird auch der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble teilnehmen. Die Personen- und Objektschützer der deutschen Botschaft waren ihm zufolge auf dem Weg zu einer Übung, als sie auf einen Sprengsatz fuhren.

Eine Großoffensive US-geführter Truppen gegen Kämpfer des Terrornetzwerkes Al-Kaida und der Taliban in der ostafghanischen Region Tora Bora ging unterdessen laut dem US-Nachrichtensender CNN unter Einsatz von Bodentruppen und Kampfflugzeugen weiter. Al-Kaida habe schwere Verluste erlitten, sagte US-Militärsprecherin Vanessa Bowman am Donnerstag. Angaben von Mitarbeitern örtlicher Behörden zufolge wurden in der ersten Phase der Kämpfe rund 50 Extremisten getötet. Bewohner der Region sagten, es seien auch drei Dörfer bombardiert worden. Dabei seien bis zu 30 Zivilisten ums Leben gekommen.

Die entlegene, gebirgige Grenzregion zu Pakistan gilt als ideales Versteck für Trainingslager und Rückzugsgebiet; auch Osama bin Laden soll sich dort versteckt haben. Afghanistan leidet derzeit unter den gewalttätigsten Auseinandersetzungen seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001. Die Professionalität der Taliban in Afghanistan nehme zu, beurteilte der deutsche Terrorismusforscher Rolf Tophoven in der Hannoverschen „Neuen Presse“ die Lage in Afghanistan. Die Extremisten würden in Sachen fernzündende Bomben, Entführungen und Selbstmordattentaten vom Irak lernen. „Das ganze Land ist mit Spähtrupps überzogen. Kein ausländischer Soldat, kein Polizist verlässt die Kasernen oder Reviere, ohne dass dies bemerkt und von Spähern an diverse Widerstandsgruppen weitergegeben wird.“

Während Stabschef Kasdorf gegenüber der „Welt“ vom notwendigen „langen Atem“ und einer „wünschenswerten“ Aufstockung sprach, forderte Tophoven: „Das militärische Personal muss von jetzt 40.000 ISAF-Soldaten – davon 3.300 Deutsche – auf insgesamt 150.000 bis 200.000 Mann aufgestockt werden“.

Zugleich wurde Kritik aus der deutschen Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Polizei-Einsatz in Afghanistan laut. „Unterbringung, Ausbildung und Ausrüstung“ gehörten auf den Prüfstand, sagte ihr Vorsitzender Konrad Freiberg am Donnerstag dem Nachrichtensender n-tv. Die Forderung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nach Panzern und Militärgerät wies er zurück. Im Zweifelsfall müsse die Bundeswehr für den Schutz der Polizei sorgen.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Afghanistan: Seoul verhandelt wieder direkt mit Taliban
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen